Filmbuch

Tarzanismus und Kalebassen-Kino

Cover-Motiv von «Neues afrikanisches Kino»; Foto: Prestel
Heute startet Afrikas größtes Filmfestival, das FESPACO in Ouagadougou: für einen Kurzbesuch etwas weit weg. Einen guten Überblick über die aktuelle Szene bietet das Buch «Neues afrikanisches Kino» von Manthia Diawara.

Auf dem schwarzen Kontinent gibt es kaum noch Kinos, weil ihnen Video und DVDs den Garaus gemacht haben, doch seine Film-Szene ist lebendiger als je zuvor. Das zeigt alle zwei Jahre das FESPACO-Festival in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Es wurde 1969 von Ousmane Sembène aus dem Senegal und dem Franzosen Jean Rouch gegründet und hat sich rasch zum wichtigsten Forum für afrikanische Cinéasten gemausert.

 

Info

Manthia Diawara:
Neues afrikanisches Kino - Ästhetik und Politik



Prestel-Verlag, 320 Seiten, brosch., 24,95 €

Sofern sie Französisch sprechen: Der Standort des Festivals und seine Förderung durch die frühere Kolonialmacht Frankreich führten lange zur Dominanz frankophoner Filme. Erst in jüngster Zeit hat das englischsprachige Kino aufgeschlossen. Bislang haben den Wettbewerb nur drei Filme auf Englisch gewonnen. Zwei davon wurden 2005 und 2007 mit dem «Goldenen Hengst von Yennenga» preisgekrönt.

 

Allerdings kommen die beim FESPACO prämierten Filme nur selten auf europäische Leinwände; am ehesten sind sie im TV-Nachtprogramm oder auf Arte zu sehen. Doch verstreute Sendetermine erlauben nur Spezialisten, sich einen Überblick über aktuelle Autorenfilme in Afrika zu verschaffen. Umso nützlicher ist die Monographie von Manthia Diawara – das erste deutschsprachige Buch zum Thema seit einem Jahrzehnt.

 

Keine europäische Förderung für Afrikas Filme

 

Diawara stammt aus Bamako, der Hauptstadt von Mali, und lehrt Literatur und Film an der New York University. Er kuratierte 2008 die Filmreihe «African Screens» am Haus der Kulturen der Welt in Berlin, aus der dieser Band hervorgegangen ist. Diawara gilt als ausgewiesener Kenner des Afro-Kinos und hat darüber ein halbes Dutzend Werke veröffentlicht.

 

Er schreibt sehr lebendig, engagiert, zuweilen etwas unstrukturiert – und scheut vor Polemik nicht zurück. So wettert er gegen jede Einflussnahme aus der Ersten Welt als «Tarzanismus», der Afrikaner demütige, entmündige und in Abhängigkeit halte. Das gelte auch für das Kino: Diawara lehnt europäische Förderung für afrikanische Produktionen rundweg ab.

 

Fingierter Prozess gegen den IWF

 

Diese «Arte-Welle» bringe nur Klischees hervor, die Vorurteile der Europäer bestätigten: ein in malerischen Bildern schwelgendes «Kalebassen-Kino». Solche Filme reüssierten allenfalls auf westlichen Festivals, so der Autor, gingen aber an den Erwartungen des afrikanischen Publikums völlig vorbei. Was allerdings auch auf die meisten Zuschauer in Europa zutrifft.

 

Eingehend analysiert Diawara die ersten afrikanischen Autorenfilme aus den 1960/70er Jahren wie «La Noire de…» und «Mandabi» von Sembène sowie «Touki Bouki» von Djibril Diop Mambety, die heute als Klassiker gelten. Zwar räumt er ein, dass schlichte Figurenzeichnung und klassenkämpferisches Pathos sich überlebt haben. Doch plädiert er für politisches Kino gegen den Neokolonialismus wie Abderrahmane Sissakos «Bamako» von 2006: Ein fingierter Prozess gegen den IWF im Hof eines gewöhnlichen Wohnhauses.