Berlin

Pergamon – Panorama der antiken Metropole

Kleiner Tempel, Detail des Pergamon-Panoramas; Foto: ohe
Sieg der Simulation über die schnöde Wirklichkeit: Vor dem Pergamonmuseum überwältigt ein riesiges Rundbild mit fiktiven Szenen aus dem Jahr 129 n. Chr. Dagegen fällt die Ausstellung echter Marmor-Fragmente ernüchternd aus.

Hollywood meets Eurodisney

 

Wie das gesamte Panorama. Einerseits folgt die Anlage von Burgberg und Unterstadt penibel den neuesten archäologischen Erkenntnissen über Pergamons Stadtbild in der Kaiserzeit. Andererseits malt Asisi die heute karge Landschaft mit üppiger Vegetation aus und bevölkert sie mit fiktiven Menschen-Massen – zur Vorbereitung hat er vor Ort 5000 Einzel-Fotos mit antik kostümierten Statisten aufgenommen.

 

In dramatischen und pittoresken Momenten: der Einzug von Kaiser Hadrian, dem die Bürger zujubeln, ist ebenso detailreich dargestellt wie putzige Genre-Szenen auf Plätzen, in Höfen und Gärten. Dann bricht die Nacht über Pergamon herein: Bei dunkelblauer Beleuchtung quillt aus Lautsprechern ein «Klangteppich» des Filmkomponisten Eric Babak mit Synthie-Akkorden und Chor-Gesängen. Histo-Entertainment auf höchstem High-Tech-Niveau, Hollywood meets Eurodisney. Aber eben nur eine überwältigende Illusion.

 

Impressionen der Pergamon-Ausstellung


 

Spartanisch karge Stadt-Geschichte

 

Der gegenüber die schnöde Wirklichkeit ernüchternd ausfallen muss: Die ebenfalls von Asisi eingerichtete Ausstellung über die Stadt-Geschichte gerät eher spartanisch karg. Obwohl 450 Exponate aus der Grabungs-Kampagne von 1878 bis 1886 versammelt sind, von denen die meisten erstmals öffentlich präsentiert werden. Doch den Anspruch, Pergamons Werdegang anhand von Originalen anschaulich darzustellen, löst die Schau nicht ein.

 

Der Blick, eben noch vom bunt schillernden Prunk des Panoramas geblendet, gleitet enttäuscht an spröden Fragmenten der Vergangenheit entlang. Nur wenige sind tatsächlich eindrucksvoll; die meisten sehen wie Strandgut aus irgendwelchen Provinz-Museen im Mittelmeerraum aus. Warum die Staatlichen Museen ihre Pergamon-Fundstücke so lange im Depot schmoren ließen, wird offenkundig: Im Vergleich zu den antiken Meisterwerken, die im Alten Museum zu sehen sind, wirken sie zweit- bis drittklassig.

 

Verwirrender Stammbaum im Götterhimmel

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Doppel-AusstellungPompeji – Nola – Herculaneum:
Katastrophen am Vesuv
” in Halle/ Saale + Dessau

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" im Pergamonmuseum

 

und hier einen Beitrag über die neue Dauer-Ausstellung “Antike Welten” mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin.

Zumal die Ausstellungs-Inszenierung willkürlich und uninspiriert erscheint: Die Wände eines leeren Raumes pflastert Asisi mit den verwickelten Verwandtschaftsverhältnissen im griechischen Götterhimmel. Doch ein Stammbaum voller Namen ist keine Augenweide. Die auf dem Wimmelbild in der Rotunde faszinierende Ästhetik der Fülle schreckt hier eher ab.

 

Dabei läuft man Gefahr, bemerkenswerte Objekte zu übersehen. Etwa das vollständigste Zauber-Gerät, das aus der Antike überliefert ist: Mit einem Nagel-Zeiger las der Wahrsager von einer Schrifttafel die Antwort auf eine gestellte Frage ab. Wie das konkret vor sich ging, erfährt man allerdings nicht.

 

Für Publikum von Kino-Hits + PC-Games

 

So reduziert das Pergamon-Museum seinen Rückblick auf die Stadt, deren Namen es trägt, zum bloßen Appendix im Seitenflügel für die weltberühmte Altar-Architektur im Mitteltrakt und das Multimedia-Spektakel im Vorhof. Mag der Ansatz, die Antike für ein Publikum aufzubereiten, das an Kino-Blockbuster und Computer-Games gewöhnt ist, auch zukunftsweisend sein: Wenn das Echte so staubtrocken daher kommt, dürften sich die meisten mit dem Augenschmaus der Simulation begnügen.