Berlin

Gundula Schulze Eldowy: Fotografien 1977 – 2009

Auszug aus einem zerstörten Land: Ruine (Leipzig 1989), »Den Letzten beißen die Hunde«, 1980 – 1989, C-Print. Foto: © Gundula Schulze Eldowy
Von Erfurt zu den Moche-Pyramiden: Gundula Schulze Eldowy hat den DDR-Alltag genauso präzise dokumentiert wie das Leben in New York und Moskau. In Berlin ist ihr nun eine dreiteilige Werkschau gewidmet.

Malerische Farbfoto-Experimente

 

Der Fall der Mauer 1989 änderte das Leben von Gundula Schulze Eldowy radikal: Sie brach zu ausgedehnten Reisen auf und verbrachte lange Jahre im Ausland. Farbfotografie, mit der sie bereits das Ende der DDR dokumentiert hatte, wurde zu ihrem bevorzugten Ausdrucksmittel. Mit dem sie ausgiebig experimentierte: Die faszinierenden Resultate werden im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus gezeigt.

 

Der Kunst-Raum des Deutschen Bundestags empfängt den Besucher mit funkelnder Pracht: ein göttliches Licht! In Istanbul fotografierte Schulze Eldowy uralte Fresken 1997 in der Hagia Sophia und dem Chora-Kloster. Im Lauf der Jahrhunderte zerstörte Partien belegte sie mit echtem Blattgold und –silber.

 

Vorahnung himmlischer Sphären

 

Dadurch strahlen die lebensgroßen Abzüge in überirdischem Glanz, wie er einst den Gläubigen vor 1.500 Jahren erschienen sein mag. Das Wesen dieser Ikonen-Malerei tritt anschaulich zutage: Die Abbildungen des Erlösers, Mariä und der Heiligen zeigen keine real existierenden Personen, sondern Epiphanien – als Vorahnung der himmlischen Sphäre. Wen bei ihrem Anblick nicht heiliger Schauder ergreift, der ist für die Orthodoxie verloren.

 

Ähnlich ergreifend sind Schulze Endowys Bilder vom Moskauer Nowodevichi-Friedhof: Bei bitterer Kälte, die ihre Kamera einfrieren ließ, lichtete sie die Porträts Verstorbener auf ihren Grabsteinen ab. Von Eiskristallen überwuchert, stark verwittert und monumental vergrößert, wirken diese Gesichter wie Schemen, die aus dem Geisterreich herübersehen – die Umstände ihres Todes geben Rätsel auf.

 

Kaleidoskop der Jahrhunderte

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Beitrag über die Ausstellung "Berlin unterm Notdach" zu Fritz Eschen, Foto-Chronist der Berliner Nachkriegsjahre

 

und hier eine kultiversum-Rezension der dreiteiligen Mammut-Ausstellung "Leipzig. Fotografie seit 1839"

 

und hier einen Beitrag über die Fotografie-Retrospektive von Arno Fischer 2010 in der Berlinischen Galerie

 

und hier eine Besprechung des Bildbands "Meine graue Stadt – Leipziger Ansichten 1966–1991" von Norbert Vogel.

 

Mit aufwändigen Verfahren erweitert Schulze Endowy die Fotografie in Richtung Malerei. Explizit in ihren Aufnahmen aus New York: Reproduktionen kanonischer Gemälde von Velasquez, Goya und Tizian in Schaufenster, die ihre zeitgenössische Umgebung spiegeln, lassen kaleidoskopartig die Jahrhunderte ineinander fließen. Dias von Falschfarben-Negativen mit altägyptischen Mumien und vielfach gespiegelte Bilder aus der Natur heben endgültig die Grenze zwischen Abbildung und Neuschöpfung auf.

 

Ein harsches Kontrastprogramm bieten Fotos aus der Endphase der DDR, die im Mauer-Mahnmal-Raum zu sehen sind. Malerisch morbide Aufnahmen von Brandmauern, Schutthalden und rauchgeschwärzten Ruinen zeigen ein Land, das den Krieg nicht mehr zu fürchten brauchte: Es war schon völlig zerstört.

 

Hacienda mit Pyramiden-Blick

 

Was seine Bewohner endlich bewog, dagegen auf die Straße zu gehen: Schnappschüsse aus der Wendezeit lassen die Aufbruchsstimmung von 1989/90 wieder aufleben. Wenige Ostdeutsche haben ihre neu gewonnene Freiheit so ausgiebig genutzt wie Schulze Eldowy: Heute  lebt sie meist mit ihrem indigenen Ehemann auf der gemeinsamen Hacienda in Peru – mit Blick auf die Anden und Reste der Pyramiden, die einst das Volk der Moche errichtete.