Rolf Eden

Harte Rollen liegen ihm

So kennt ihn die Welt: Lachend mit zwei knackigen Starlets in den Armen, ca. 1970er Jahre. Rainer Adolph/ adolphpress
In seinem Film ist er der Star: «The Big Eden» bebildert Rolf Edens Laufbahn als Playboy und Regisseur seines Lebens mit Privat-Material. Ein Gespräch über visuelle Tagebücher, Nachtleben-Erotik und verständnisvolle Verwandte in Israel.

 «Was sollen wir lange reden – gehen wir ins Eden!»

 

Sie kennen das Nachleben eines halben Jahrhunderts wie kein anderer. Wie hat es sich in den letzten 50 Jahren verändert – ist es reichhaltiger und spannender geworden oder eher nicht?

 

Für mich nicht, für junge Leute schon – sie kennen ja nichts anderes. Heute gehen die Menschen nicht öfter oder seltener aus als früher; sie haben nur mehr Geld in der Tasche. Die Tontechnik hat sich sehr verbessert; dennoch gehen den meisten Clubs nach ein paar Jahren die Ideen aus oder die Leute wechseln in andere Läden – das ist eine schwierige Branche.

 

Man muss sich ständig Neues einfallen lassen, um Leute anzuziehen: Ich habe jährlich sechs Miss- und Mister-Wahlen veranstaltet. Ich fuhr einen Rolls-Royce Baujahr 1936 und schaltete Werbung im Radio mit dem Slogan: «Was sollen wir lange reden – gehen wir ins Eden!».

 

Musik mit Herz zum Streicheln

 

Nach Techno ist im Nachtleben kein wirklich neuer Stil mehr aufgetaucht – es wird nur Bekanntes variiert. Erwarten Sie etwas Neues – und was könnte das sein?

 

Momentan ist mir das alles sehr suspekt: Es gibt keine schönen Lieder mehr, diese Musik ohne Melodie und ohne Text gefällt mir gar nicht. Viele junge Leute sind begeistert, weil sie es nicht anders kennen. Spätestens in fünf Jahren sollte aber etwas Neues kommen – mit Herz, damit wir unseren Damen Komplimente ins Ohr flüstern und sie küssen können. Wenn man beim Tanzen streicheln kann, merkt man sofort, ob eine Partnerin für die ganze Nacht zu haben ist oder nicht. Heute ist das schwierig, weil man nicht mehr auf Tuchfühlung geht.

 

DJs müssen viel reden

 

Sie genießen den Ruf, ein großer Liebhaber zu sein. In den 1960/70er Jahren war das Nachleben erotisch prickelnder. Woran lag das?

 

Es war viel kommunikativer. Man forderte einander zum Tanzen auf; dafür gab es auch Tisch-Telefone. Damals sagten die DJs jeden Song über ihr Mikrophon an, begrüßten die Gäste oder gratulierten ihnen zum Geburtstag: Sie mussten richtig viel reden und die Leute amüsieren. Wer ein bestimmtes Lied hören wollte, ging zu ihnen hin und wünschte sich das. Heute schieben sie nur noch ihre Regler hin und her und mixen den Sound. Die Musik kommt von der Festplatte und bleibt jeden Abend dieselbe – ansonsten passiert nichts.

 

Wer heutzutage mit Anderen plaudern will, geht eher in eine Kneipe. In Clubs und Diskotheken wird nicht mehr viel geflirtet. Ist das ein Zeitphänomen oder spezifisch deutsch?

 

Die Deutschen sind genauso gute Liebhaber wie andere Völker. Ich halte es eher für ein Zeitphänomen. Aber ich glaube, dass sich das bald wieder ändern wird, denn die Leute wollen einfach zusammenkommen, miteinander gute Erlebnisse und guten Sex haben. Ob mit Damen oder mit Herren.

 

Mittags auf dem Tisch tanzen

 

Der Duft der großen weiten Welt: Rolf-Eden-Parfüm, kreiert in der Duft-Metropole Grasse

Der Duft der großen weiten Welt: Rolf-Eden-Parfüm, kreiert in der Duft-Metropole Grasse

Nichtsdestoweniger wirkt das Nachtleben hierzulande eher ruhig und gesittet – in anderen Ländern scheint man auf der Piste mehr Spaß zu haben. Worauf führen Sie das zurück?

 

Es gibt zuviel Erotik; heute enthält jeder TV-Film heiße Bett-Szenen. Doch zu behaupten, im deutschen Nachtleben könne man sich nicht amüsieren, wäre Quatsch. Ich bin ja dauernd unterwegs: Gestern war ich mittags in einem Lokal, wo eine Band mit Sänger spielte. Die Gäste tanzten ausgelassen auf den Tischen. Auch nachts begegnen mir in vielen Clubs Leute, die wild tanzen und mitsingen.

 

Bett mit Regisseur geteilt

 

In «The Big Eden» sind wenig bekannte Stationen ihrer Biographie zu sehen. Als Kind sind sie 1933 mit ihrer Familie nach Palästina ausgewandert. Beim israelischen Unabhängigkeits-Krieg 1948 haben sie in einer Elite-Einheit gekämpft. Gab diese Erfahrung für Sie den Ausschlag, sich beruflich auf die schönen Seiten des Lebens zu konzentrieren?

 

Als 18-jähriger Soldat war ich sehr doof, weil ich immer als erster an die Front rannte. Rechts und links von mir wurden meine Kameraden erschossen, doch ich hatte Glück: Weil es wenig zu essen gab, bin ich ohnmächtig geworden und im Krankenhaus wieder aufgewacht. Heute würde ich bei einem Krieg als erster davonlaufen. Doch Israel war ein sehr kleines Land, und ich wollte als Pianist und Sänger Welt-Karriere machen. Deshalb bin ich nach Paris gereist, wollte aber weiter nach New York. Doch die Amis haben mich nicht einreisen gelassen. Zum Glück, denn in New York gab es viel bessere Musiker als mich.

 

Ich blieb also in Paris, bin Taxi gefahren, habe gekellnert und teilte mir Zimmer wie Bett mit einem Regisseur: Er schlief nachts, während ich arbeitete, und ich tagsüber. Dann las ich von 6.000 D-Mark Prämie für Rückkehrer – die Regierung lockte damit junge Leute nach Berlin. Eigentlich wollte ich nur abkassieren und zurück nach Paris, aber dann hat es mir hier so gut gefallen, dass ich für immer dageblieben bin.

 

Israelis kommen gern nach Berlin

 

Sie haben 21 Jahre im heutigen Israel gelebt, bevor Sie 1954 nach Europa zurückkehrten. Was bedeutet Ihnen Israel heute – ist das nur das Land, in dem Verwandte und Freunde wohnen?

 

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Dokumentarfilms «The Big Eden» von Peter Dörfler.

Ich bin sehr gerne in Israel und besuche es zwei Mal jährlich. Ich habe dort noch viele alte Freunde und meine Familie, denn alle meine Angehörigen sind dorthin ausgewandert.

 

Haben die jemals mit Befremden reagiert, dass Sie ausgerechnet nach Berlin – in die Hauptstadt der NS-Täter – zurückgingen und hier zum König des Nachtlebens wurden?

 

Niemals. Sie haben das alle gut verstanden, und nie hat sich jemand dagegen ausgesprochen. Im Gegenteil: Sie kommen alle gerne hierher, um mich zu besuchen. Heute ist meine Tochter wegflogen, nachdem sie zehn Tage hier war. Außerdem ist das alles 60 bis 70 Jahre her – warum soll man noch darüber nachdenken? Die heutige Jugend kann ja nichts dafür.