Pjotr Buslov

Wyssozki – Danke, für mein Leben

Der KGB kann mich mal: Wyssozki ignoriert einen Milizionär. Foto: Kinostar
(Kinostart: 1.12.) Wladimir Wyssozki war der berühmteste Liedermacher der Sowjetunion. Nun kehrt er als Volksheld mit magischer Aura auf die Leinwand zurück. Diese Heiligen-Legende ist ästhetisch ärgerlich und soziologisch sehr aufschlussreich.

Mimik des jungen Charles Bronson

 

Die wundersame Bekehrung kommunistischer Geheimdienst-Offiziere im Kino kennt man aus dem Oscar-Gewinner «Das Leben der Anderen». Hier verläuft sie noch rascher, radikaler und unglaubwürdiger: Wenige Zauberworte reichen, und schon ändert der Spitzel sein Leben. Wyssozki eignet eben eine fast magische Aura – anders ist nicht zu erklären, warum alle zwei Stunden lang an seinen Lippen hängen.

 

Den Helden verkörpert Sergej Bezrukov mit der subtilen Mimik und Schauspiel-Kunst des jungen Charles Bronson: Unendlich müde und verbraucht schlurft er durch die Szenen. Da ein Wrack in Trance kaum abendfüllend wäre, agiert seine Entourage umso aufgedrehter: ein burlesker Pianist als Sidekick, ein geldgieriger Impresario und Wyssozkis vertrottelter Leibarzt. Klamauk-Einlagen kontrastieren herb mit der an Hollywood-Standards orientierten Bildsprache.

 

Triebhaft primitive Usbeken

 

Alles vor exotisch buntem Setting: Fast der gesamte Film spielt in Usbekistan, was ihm reichlich Gelegenheit zu Seitenhieben auf triebhaft primitive Eingeborene bietet. Russischer Chauvinismus, pathetische Heiligen-Legende und opulente Breitwand-Ästhetik werden zu einem ungenießbaren Gebräu zusammengerührt.

 

Dessen Rezept lieferte Wyssozkis Sohn Nikita; dass der an Papas Mythos strickt, liegt nahe. Weniger die ambivalente Darstellung der Geheimdienstler: Zwar konspirieren sie im Auftrag des verhassten Politbüros, doch zugleich behalten sie als einzige den Überblick und lauschen heimlich Wyssozkis Liedern – allzeit bereit zum Seitenwechsel.

 

Wie von Putin persönlich abgesegnet

 

So sähe sich wohl ihr Ex-Chef gern, der heute im Kreml thront. Man könnte meinen, Putin persönlich habe das Drehbuch abgesegnet und finanziert. Immerhin förderte er bereits einen «Faust» mit acht Millionen Euro; die Goethe-Verfilmung von Alexander Sokurov gewann bei der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen.

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Dokumentarfilms "Der Fall Chodorkowski"

 

und hier ein Interview mit Regisseur Cyril Tuschi über Filmemachen in Russland unter Putin

 

und hier eine Wyssozki-Fan-Website auf Deutsch.


Damit erweist sich «Danke, für mein Leben» als schillerndes Sittenbild aus Sowjet-Russland: nicht in der Breschnew-, sondern der Putin-Medwedjew-Ära. In den Aufbau dieser «gelenkten Demokratie» bieten der Film und seine Produktionsweise aufschlussreiche Einblicke.

 

Cinemascope-Denkmal für Volksheld

 

Damals langhaarige Studenten, die Wladimirs Strophen klampften, sind umfrisiert in Schlüssel-Positionen der Gesellschaft aufgerückt. Sie fahren Mercedes und tragen Jeans, einst begehrte Schmuggel-Importe, nun als Alltagskluft ohne Protest-Mehrwert.

 

Allen geht es nur um raschen Profit; wie schon auf Wyssozkis Konzert-Tourneen. Nach wie vor hält der KGB-FSB den ganzen Laden zusammen – und stellt Gelder bereit, um dem verblichenen Volkshelden aus Jugendtagen ein Cinemascope-Denkmal zu setzen: Über die teuren Toten nichts als Gutes.