Gary Oldman

Wie eine alte, weise Eule

Gary Oldman als Agent Smiley in «Dame, König, As, Spion». Foto: Studiocanal
Als Top-Agent George Smiley im Spionage-Thriller «Dame, König, As, Spion» ist Gary Oldman für einen Oscar nominiert. Ein Gespräch über alltägliche Paranoia, gutes Aussehen ohne Worte und Nebenrollen für allein erziehende Väter.

Befreiender Minimalismus

 

Viele Ihrer wichtigen Rollen interpretierten Sie sehr physisch – also genau das Gegenteil von Smiley, der in seiner Unauffälligkeit verschwindet. War diese Rolle eine besondere Herausforderung für Sie?

 

Nein: Der Text ist das Entscheidende. Als Schauspieler surfst Du auf Deinem Text im Drehbuch. Ohne gutes Drehbuch musst Du zu hart arbeiten. In einer Szene mit dem nervös schwitzenden Ricki Tarr – den Smiley für einen rechten Idioten hält – agiert Smiley wie der große Schachspieler, der er ist. Er ist gewohnt, häufig die intelligenteste Person im Raum zu sein.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension von "Dame König As Spion".

Meine Aufgabe ist es, einfach in den Raum zu kommen und auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Ich sitze nur da und höre diesem Idioten zu. Dabei sehe ich ziemlich gut aus, ohne die Wände hoch zu gehen. Es war sehr befreiend, in solch minimalistischer Weise agieren zu dürfen. 

 

20 Minuten schweigen

 

Ihre Figur redet in den ersten Szenen kein Wort.

 

In den ersten 20 Minuten! Das ist die Leistung von Regisseur Tomas Alfredson. Er wollte eine Person, die nicht spricht: Solche Personen faszinieren. Für mich ist Smiley wie eine alte, weise Eule. Er hat große Augen, die alles sehen – und er hört alles. In einer Szene am Anfang schaue ich fern. Es klopft an der Tür und ich drehe nur meinen Kopf, während der übrige Körper in seiner Position verharrt. Genau wie bei einer Eule. 

 

Als Vater nicht lange abwesend sein

 

Warum waren Sie lange nicht mehr als Hauptdarsteller zu sehen, sondern nur in Nebenrollen von Sequels wie «Batman» und «Harry Potter»?

 

Ich musste als Alleinstehender zehn Jahre lang zwei Kinder erziehen. Ich wollte einfach ein Vater sein, der nicht ständig abwesend ist; das war meine Absicht. Filme wie «Batman» und «Harry Potter» ermöglichten mir das, da ich für sie nicht vier oder fünf Monate lang um die Welt fliegen musste. In «Dame, König, As, Spion» konnte ich eine Hauptrolle übernehmen, weil meine Söhne mittlerweile älter sind.

 

Sie sind 1958 geboren, also ein Kind des Kalten Kriegs. Wie hat Sie das beeinflusst?

 

Wenig. Als Teenager konzentrierst Du Dich auf Deine eigene Welt, alles dreht sich um Dich. Du entdeckst Mädchen und Popmusik, interessierst Dich für Fußball. Ich erinnere mich daran eher als an die damaligen Nachrichten und Schlagzeilen. Als junger Mann galt meine Aufmerksamkeit anderen Dingen. 

 

Anstelle von Feinden von Gegnern sprechen

 

Ähnelt Ihrer Ansicht nach das Feindbild des Kommunismus, das damals eine überragende Rolle spielte, dem heutigen Feindbild vom Islam?

 

Die Frage ist: Wovor haben wir solche Angst? Furcht ist eine große Macht. Der Kommunismus hat die Welt nicht zum Kippen gebracht, auch wenn er seine Hände an Vietnam legte. Im Moment erleben wir einen Präsidentschafts-Wahlkampf in den Vereinigten Staaten, der falsche Hoffnungen weckt.

 

Die pazifistische Idee, einfach das Militär abzuschaffen, sich an einem Tisch zu einigen und den Raum als Freunde zu verlassen, ist toll. Nur: Wie sollen wir das schaffen? Für mich hat sich wenig verändert. Wir leben zwar in einer anderen Zeit, mit anderen Feinden an anderen Orten, aber wir müssen Nordkorea und den Iran im Auge behalten.

 

Dort leugnet ein Mann den Holocaust und sagt, er wolle Israel zerstören: Was soll man mit dem machen? Das muss man ernst nehmen. Wir können nicht auswürfeln, ob er das ernst meint. Solche Situationen lassen sich im Rückblick deutlich gelassener beurteilen als im jeweiligen Moment. Heute sprechen wir von Gegnern, anstatt sie wie früher Feinde zu nennen – das hat sich geändert.