Wuppertal

Der Sturm – Zentrum der Avantgarde

Oskar Kokoschka: Bildnis Herwarth Walden (Detail), 1910; Staatsgalerie Stuttgart. Foto: © Fondation Oskar Kokoschka / VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Ein Spion im Dienste des Kaisers, der zum Kommunismus konvertierte: Herwarth Walden und seine Galerie «Der Sturm» waren Wegbereiter des Expressionismus. Ihre wechselvolle Geschichte zeichnet das Von der Heydt-Museum anschaulich nach.

Vor 100 Jahren, am 12. März 1912, eröffnete Herwarth Walden in Berlin seine Galerie «Der Sturm». Sie gilt – ebenso wie die gleichnamige, zwei Jahre zuvor gegründete Zeitschrift – als einer der wichtigsten Wegbereiter des Expressionismus vor dem Ersten Weltkrieg. Doch der Werdegang von Walden und seiner Galerie reicht weit darüber hinaus.

 

Info

 

Der Sturm –
Zentrum der Avantgarde

 

13.03.2012 - 10.06.2012
täglich außer montags 11 bis 18 Uhr, donnerstags + freitags bis 20 Uhr, am Wochenende ab 10 Uhr im Von der Heydt-Museum, Turmhof 8, Wuppertal

 

Essay- + Bildband: einzeln 25 €, zusammen 40 €

 

Website zur Ausstellung

 

Ihre wechselvolle und bislang kaum bekannte Geschichte haben die Universität Düsseldorf und das Von der Heydt-Museum erforscht. Dort werden nun die Ergebnisse in einer großen Gedenk-Ausstellung präsentiert. Über dem Eingang flattern Werbefahnen kräftig im Wind: Sturm in Wuppertal!

 

Ehe mit Else Lasker-Schüler

 

Obwohl die gleichnamige Galerie und ihr Gründer stets mit Berlin assoziiert werden; ihre Räume lagen in der Potsdamer Straße 134 a. Dennoch war Walden der Schwebebahn-Stadt eng verbunden – weil hier die Kunst der Moderne bereits Fuß gefasst hatte, aber vor allem aus Liebe: Seit 1903 war er mit Else Lasker-Schüler verheiratet, die aus Wuppertal-Elberfeld stammte.

Feature zur Ausstellung "Sturm-Frauen - Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910-1932" in Frankfurt 2015/2016 ; © Schirn Kunsthalle


 

Lasker-Schüler erfindet Pseudonym

 

Die überkandidelte Dichterin, die gern als orientalischer «Prinz Jussuf von Theben» auftrat, erfand nicht nur für ihren Gatten Georg Lewin sein künftiges Pseudonym Herwarth Walden. Sie führte ihn auch in die rheinische Kunstszene ein. Im Kunstverein von Wuppertal-Barmen wurden ab 1911 expressionistische Maler wie Oskar Kokoschka, Wassiliy Kandinsky und Franz Marc vorgestellt

 

Daran knüpfte Herwarth Walden an. Als die Expressionisten von der «Sonderbund»-Ausstellung 1912 in Köln abgelehnt wurden, lotste Walden sie nach Berlin: In der ersten «Sturm»-Ausstellung zeigte er Mitglieder des «Blauen Reiters» wie Kandinsky, Marc, August Macke, Alexander Jawlensky und Gabriele Münter.

 

Futuristen-Flugblätter aus fahrenden Autos

 

Die zweite Ausstellung 1912 führte italienische Futuristen wie Umberto Boccioni, Carlo Carrà und Gino Severini in Deutschland ein. Mit großem Aplomb: Walden ließ Manifeste des Futuristen-Vordenkers Filippo Marinetti an Litfaß-Säulen kleben oder Flugblätter und Plakate aus fahrenden Autos in die Menge werfen. Die neuartige Werbe-Kampagne hatte Erfolg: Täglich kamen bis zu tausend Neugierige in die Galerie.

 

Der «Erste Deutsche Herbstsalon» von April bis Dezember 1913 setzte die Expressionisten endgültig durch: Nun konnte Walden ihre Werke auch verkaufen. In den Folgejahren blühte seine Galerie; hier war alles zu sehen, was neu und umstritten war. Die Liste der gezeigten Künstler aus ganz Europa liest sich wie ein «Who is who» der Moderne.

 

AA zahlt üppig für Übersetzungen

 

Sie reicht von Lyonel Feininger und Paul Klee, Robert Delaunay und seiner Frau Sonja über russische Kubofuturisten wie Alexander Archipenko oder Natalja Gontscharowa bis zu Konstruktivisten wie Ivan Puni und Oskar Schlemmer und Einzelgängern wie Henri Rousseau, Marc Chagall und Kurt Schwitters. Zugleich entfaltete ihr Galerist fieberhafte Aktivitäten – mitten im Ersten Weltkrieg.

 

Er gründete einen Kunstbuch-Verlag samt Buchhandlung sowie eine «Sturm»-Bühne und -Schule, wofür er Avantgarde-Künstler als Lehrer anheuerte. Zur Finanzierung reichten die Galerie-Erlöse nicht aus. Das Auswärtige Amt entlohnte Walden für nachrichtendienstliche Tätigkeit – vorgeblich Übersetzungen aus niederländischen und schwedischen Zeitungen: Seit 1912 war er mit der schwedischen Malerin Nell Roslund verheiratet.