Gustavo Taretto

Medianeras

Zweisam einsam: Mariana (Pilar López de Ayala) und Martin (Javier Drolas) schauen aneinander vorbei. Foto: Real Fiction Filmverleih
(Kinostart: 3.5.) Generation Psychotherapie in Argentinien: Zwei junge und leicht neurotische Singles in Buenos Aires finden sich, nachdem sie lange aneinander vorbeiliefen. Humorvolles Metropolen-Märchen voller poetischer Bild-Ideen.

Mariana und Martín sind im Grunde Nachbarn. So sehr, wie man das in Buenos Aires eben sein kann; einer Metropole, die offenbar ohne jede ordnungsgemäße Stadtplanung gewachsen und gewuchert ist.

 

Info

Medianeras

 

Regie: Gustavo Taretto, 95 Min., Argentinien/Spanien 2011;
mit: Pilar López de Ayala, Javier Drolas

 

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Das zeigt eingangs eine Montage von Einstellungen mit viel Sinn für das Komische in der Architektur: Auf engstem Raum findet sich hier ein Konglomerat unterschiedlichster Baustile. Graue Wohnschachteln und eigenwillige Solitäre ragen regellos nebeneinander in die Höhe.

 

Architektin dekoriert Schaufenster

 

Auch Mariana und Martín wohnen ziemlich weit oben in ihren Ein-Zimmer-Buden in zwei benachbarten Hochhäusern. Sie hat Architektur studiert, verdient aber ihren Lebensunterhalt mit dem Dekorieren von Schaufenstern. Er ist Webdesigner und verlässt kaum je seine Wohnung, weil ihn neurotische Ängste plagen.


Offizieller Film-Trailer


 

Architektonische + menschliche Trennwände

 

Beide sind gerade ziemlich allein im Leben. Martín lebt ohnehin fast ausschließlich online, seit seine Ex-Freundin ihn verlassen hat. Mariana hat vor kurzem eine jahrelange Beziehung zu einem Mann beendet, der nicht der Richtige war.

 

«Medianeras» bedeutet «Trennwände», was natürlich ebenso architektonisch wie zwischenmenschlich gemeint ist. Der gelernte Fotograf und Web-Designer Gustavo Taretto drehte bereits 2005 einen gleichnamigen Kurzfilm, mit dem er diverse Preise gewann; nun hat er ihn zu seinem Debüt-Spielfilm erweitert.

 

Im Rahmen isoliert

 

Taretto schwelgt genussvoll in der Bild-Metapher des Titels: Stets erscheinen die Menschen wie von einem Rahmen umgeben. Isoliert in ihren Wohnungen, eingesperrt in Fahrstühle – vor denen Mariana eine Phobie hat; sichtbar hinter trennendem Glas – wenn sie Schaufenster dekoriert, oder als verzerrte Projektion im PC-Bildbearbeitungsprogramm.

 

Sogar die Freizeit wird hinter Barrieren verbracht: Beim abendlichen Schwimmsport wird jedem Schwimmer eine Bahn zugewiesen, die von der nächsten streng abgetrennt ist. Kein Wunder, dass Mariana und Martín sich dort nicht treffen, obwohl beide gleichzeitig mit dem Schwimmen anfangen.

 

Ein Herz für wartende Passanten

 

Auch auf der Straße laufen sie sich immer wieder über den Weg. Doch so sehr die Kamera sich bemüht, sie zusammenzubringen – es nützt alles nichts. Einmal zeichnet der Film gar dringlich ein großes Herz um die beiden, als sie nebeneinander an einer Ampel warten: Die wird grün, und die füreinander Bestimmten gehen in entgegen gesetzte Richtungen weiter.

 

Hintergrund

Weitere Rezension finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Kritik des Films "Turistas" von Alicia Scherson über den verpatzten Urlaub eines Paars in Chile.

 

und hier eine kultiversum-Besprechung des Films "Das Lied in mir" von Florian Cossen mit Michael Gwisdek über Vergangenheits-Bewältigung in Argentinien.

Filme machen ist ein wenig so wie Gott spielen. Man kann alles tun, was man will, und zeigen, wie das Dasein funktioniert. Wie zuerst Martín, dann Mariana mit viel versprechenden dritten Individuen anbändeln, um frustriert zu bemerken, dass daraus nichts werden kann: Das ist schmerzhaft und fast wie im richtigen Leben.

 

Menschen sind nicht wie Häuser

 

Aber Film kann noch mehr: Sich die Freiheit nehmen, der mitunter allzu tristen Realität etwas auf die Sprünge zu helfen. Und so dreht «Medianeras» schließlich eine hübsche Schleife ins Märchenhafte.

 

Dass hier alles gut enden wird, kann man sich von Anfang an denken: angesichts der zärtlich-spöttischen Haltung, die Regisseur Taretto gegenüber seinen Protagonisten an den Tag legt. Denn Menschen sind eben nicht so wie Häuser: Sie können aufeinander zugehen. Im Film jedenfalls können sie das.