Alma Har'el

Bombay Beach

Der siebenjährige Benny, Bewohner von Bombay Beach, als Kapitän eines trocken gelegten Bootes. Foto: Rapid Eye Movies
(Kinostart: 27.9.) Scheitern als Chance: Regisseurin Alma Har’el porträtiert Bewohner eines US-Badeorts, der zur Geisterstadt wurde. Als stimmungsvolle Mischung aus Doku, Musical und Video-Clip, in der Fakten etwas zu kurz kommen.

Der american dream vom Tellerwäscher zum Millionär ist seit jeher ein beliebtes Thema auf der Leinwand. Zahllose Filme erzählen success stories: mit großem Pathos und stereotypem Idealismus.

 

Info

Bombay Beach

 

Regie: Alma Har'el, 76 min., USA 2011;
mit: Red, Benny, CeeJay

 

Englische Website zum Film

In ihrem Kino-Debüt beleuchtet die Israelin Alma Har’el nun die andere Seite der Medaille: Die Fotografin und Videoclip-Regisseurin porträtiert US-underdogs – zumindest materiell Gescheiterte und Verlierer. Stimmungsvoll in Szene gesetzt: mit malerischen Landschafts-Aufnahmen, morbiden Bildern von Zivilisations-Müll und Verwahrlosung sowie inszenierten Tanz- und Traum-Szenen.

 

 American dream reloaded

 

In Kalifornien, mitten in der Colorado-Wüste, entstand 1905 durch künstlich aufgestautes Wasser der Salton-See. Bombay Beach, eine kleine Gemeinde am Ufer des Salzwasser-Sees, wurde als Badeort gegründet und erlebte einen kurzlebigen Boom als Ferien-Paradies.


Offizieller Filmtrailer


  

Amüsier-Meile der 1950er Jahre

 

Hier amüsierten sich in den 1950er Jahren Show-Größen wie Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. Das ist vorbei: Bombay Beach steht heute als Symbol für das Scheitern des american dream – in dieser erhaben unwirtlichen Landschaft sind gerade noch 295 Einwohner übrig geblieben. Drei von ihnen beobachtet Regisseurin Har’el in ihrem Alltag am Rande der Gesellschaft. 

 
Der frühere Öl-Arbeiter Red schmuggelt Zigaretten, um über die Runden zu kommen und die nächste Mahlzeit bezahlen zu können. Mit Gelassenheit und Demut genießt er seine Freiheiten; mit Reibeisen-Stimme teilt er dem Zuschauer Lebensweisheiten mit. Red erzählt von Verlorenheit, Rassismus und Enttäuschungen, während die Bilder aus einer Marlboro-Werbung stammen könnten.

 

Neustart für Ex-Gang-Mitglied

 

Der siebenjährige Benny leidet an bipolaren Störungen und wird mit starken Medikamenten ruhig gestellt. Seine Geschichte handelt von einer Kindheit in einer poor white trash family, aber auch von den Mängeln des US-Gesundheitssystems. Benny Lebens-Chancen sind von Anfang an stark beschränkt; man hofft, dass auch er nicht aufgeben und sein Recht auf Selbstbestimmung und Glück verwirklichen wird.

 

Der schwarze Teenager CeeJay, früher Gang-Mitglied in Los Angeles, sucht in Bombay Beach ein Leben ohne Gewalt und Drogen. Er trainiert für ein Football-Stipendium, um als erstes Mitglied seiner Familie das College besuchen zu können. Sein Ehrgeiz lässt auf ein happy end hoffen: Vielleicht kann er seinen persönlichen Traum verwirklichen?

 

Improvisierte Tanz-Szenen

 

Es ist dieser unerschütterliche Optimismus, der die Bewohner von Bombay Beach so sympathisch wirken lässt. Wenn ihre desolate Situation dem Betrachter Hoffnungslosigkeit nahelegt, blendet der Film die harte Realität aus und geht zu Traum-Sequenzen über.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Kritik des Films "The United States of Hoodoo" von Oliver Hardt über Voodoo in den US-Südstaaten.

 

und hier eine Besprechung der Doku  “William S. Burroughs: A Man Within”  von Yony Leyser über den Beatnik-Schriftsteller

 

und hier einen Beitrag über den Film "How I ended this summer" von Alexej Popogrebsky über ein Psycho-Duell am Polarkreis.

Regisseurin Ha’rel hat mit ihren Protagonisten improvisiert und Tanz-Szenen choreographiert. Red, Benny und CeeJay finden Ausdrucksweisen für ihre Probleme und Sehnsüchte; so verwandeln sie ihren Alltag in Kunst. Diese Szenen zeigen die Würde von Gescheiterten und Schönheit im Zerfall. 

 

Bester Doku auf Tribeca-Festival 2011

 

Leider erschöpft sich die Wirkung dieser Bilder nach einer Weile wie bei einem zu langen Musik-Video. Hintergründe und Fakten kommen ein wenig zu kurz; der Film bietet nur eine Bestandsaufnahme ohne Erklärungen oder Lösungs-Ansätze. Seine eindrucksvoll elegischen Bilder, die mit Musik von Beirut und Bob Dylan unterlegt sind, wirken allerdings lange nach.

 

Die Regisseurin hat einen wunderbaren, sehr melancholischen Blick auf die Welt. Sie kann wehmütige Stimmungen hervorragend einfangen und verdichten; man merkt jedoch, dass sie ihr Geld bisher mit Video-Clips und Werbe-Spots verdient hat. Ihr atmosphärisch dichter Genre-Mix aus Doku, Musik-Video und Musical wurde 2011 auf dem Tribeca Festival in New York als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.