Venedig

Architektur-Biennale 2012

Architektur-Biennale Venedig 2012: Blick in den deutschen Pavillon. Foto: Susanne Röllig
Auf der 13. Architektur-Ausstellung in Venedig sind deutsche Beiträge sehr präsent: Foto-Serien der Becher-Schule und ein Paradigmen-Wechsel im Deutschen Pavillon – der Architekt Muck Petzet empfiehlt Umnutzung anstelle von Neubauten.

Als Foto-Modelle fetischisiert

 

Demand dokumentiert Lautners Artefakte nicht als nostalgische Objekte der Baukultur, er fetischisiert sie als Foto-Modelle. Auf der Biennale stellt er seine Fotos deshalb auch in den Kontext von Fotografien russischer Architektur-Studenten aus den 1920er Jahren, die ihre eigenen Modelle zu Übungszwecken ablichten mussten.

 

Wer fehlt noch? Andreas Gursky! Der Raum von ihm und Sir Norman Foster besticht durch eine Gegenüberstellung. Ein Groß-Modell der HSBC-Bank, die Foster in Hongkong gebaut hat, trifft auf ein überdetailliertes Foto des Gebäudes: Architektur-Bilder, die mit der Realität weniger zu tun haben als mit den Wahrnehmungs-Wirklichkeiten von Foto- und Baukünstlern.

 

«Monument für die Moderne» auf Berliner Schlossplatz

 

Chipperfields Ausstellung beginnt mit dem großartigen Projekt von Robert Burghardt, das leider über den utopischen Entwurf nicht hinausgekommen ist. Er schlug 2009 vor, auf dem Schlossplatz in der Berliner Stadtmitte ein kolossales «Monument für die Moderne» zu errichten, das in zeichenhafter Brutalität Ikonen der Baukultur miteinander verschmilzt.

 

Während in Berlin seit der Wiedervereinigung doch kaum etwas entstanden ist, dass architektonisch wirklich charaktervoll zu nennen wäre: Moderne und Postmoderne wirken immer noch nach, ästhetisch schlagende Nachfolger fehlen. Als Negativ-Beispiel sei auf Hans Kollhoff verwiesen, der einen Raum mit Modellen seiner neototalitären Block- und Lochfassaden-Phantasien möbliert.

 

Kein Abriss + Neubau, sondern Umnutzung

 

Hintergrund

Website von
Robert Burghardt
zum "Monument für die Moderne"

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "L’Architecture engagée" als "Manifeste zur Veränderung der Gesellschaft" in der Pinakothek der Moderne, München

 

sowie hier einen Beitrag über die Ausstellung von SANAA Tokio – Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa im Aedes Architekturforum Berlin.

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “Baumeister der Revolution” über sowjetische Kunst und Architektur 1915 – 1935 im Martin-Gropius-Bau, Berlin

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung “Bucky Fuller & Spaceship Earth” über Architektur-Utopien von Buckminster R. Fuller + Sir Norman Foster im MARTa, Herford

Aber vielleicht muss man sich vom Verständnis der Architektur als grundsätzliches Neu-Bauen ohnehin verabschieden. Der Münchner Architekt Muck Petzet versucht im Deutschen Pavillon den ideologischen Paradigmenwechsel: Sein Motto «Reduce, Reuse, Recycle» ist der Abfall-Wirtschaft entlehnt und fordert ein Umdenken.

 

Anstelle von Abriss und Neubau befürwortet Petzet die Um- und Anders-Nutzung von Bestands-Gebäuden. Mit diesem Programm ist ihm einer der aktuellsten und progressivsten Beiträge gelungen. Leider kann der von Designer Konstantin Grcic und Fotografin Erica Overmeer äußerst fotogen gestaltete Pavillon diese Ideen nur unzureichend kommunizieren.

 

Klein-Klein von Plänen und Modellen

 

Die Vorstellung von Beispielen wie einem Bürogebäude von Arno Brandlhuber in Berlin oder einem Studentenwohnheim in München illustrieren mehr, als das sie die fortschrittlichen Strategien erklären. Wer in das komplexe Thema einsteigen will, ist auf den ausführlichen Katalog angewiesen.

 

Nach dem großen Wurf der japanischen Architektin Kazuyo Sejima vor zwei Jahren, die Architektur vor allem als Ideen-Kunst des öffentlichen Raums vorstellte, verlieren sich Chipperfields Biennale und viele Länder-Präsentationen im Klein-Klein von Plänen und Modellen. Die Architektur-Szene ist spürbar im Wandel begriffen; noch scheint sie aber nicht wirklich in der Lage, diese Transformation auch zukunftsgewandt zu reflektieren.