Kultureller Gemischtwarenladen
Schon vor Jahren zeigte sich Lee von der Weise genervt, in der Tarantino Afroamerikaner in Szene setzte: cool und schlagfertig, sich ständig gegenseitig «Nigger» nennend und dann aus Habgier oder Dummheit gegenseitig tötend – keine guten Vorbilder. «Nigger is just a word», beharrte dagegen Tarantino, der ebenso wenig Rassist ist wie Jakob Augstein Antisemit.
Tarantino bewundert die afroamerikanische Kultur, wie er in «Jackie Brown» ausgiebig vorgeführt hat: solange sie jenem romantischen Ideal aus Coolness, sexueller Potenz, gutem Geschmack und latenter Gewalt entspricht. Doch diese Selbststilisierung ist ein Resultat langer Unterdrückung der afrikanischen Sklaven; bei ihren Nachfahren nimmt sie leicht selbstzerstörerische Züge an. Für Tarantino ist sie aber nur ein Artikel aus dem kulturellen Gemischtwarenladen.
Sklaverei ist schlecht
Nun ließ Tarantino durchblicken, die Wahl der Südstaaten als Schauplatz und die Besetzung der Hauptrolle mit Jamie Foxx seien durchaus als gesellschaftliches Statement zu verstehen. Es ist denkbar simpel: Sklaverei war bzw. ist schlecht. Als hätte irgendjemand erwartet, ein Regisseur, der zur Oscar-Verleihung und nach Cannes will, mache einen Film, der dieses System nachträglich legitimiert.
Es scheint eher so zu sein: In «Basterds» diente der Kampf gegen Nazis als Anlass für barocke Quassel-Präludien mit Schlacht-Fuge, nun ist es die Sklaverei. Dabei lässt Tarantino, der neben seiner neu entdeckten gesellschaftlichen Rolle ja auch dem Genre-Film verpflichtet ist, seine Protagonisten in einer Weise leiden, die einem rape-and-revenge-movie entsprungen sein könnte.
Nofretete-Büste in den Südstaaten
Nackt und gedemütigt, müssen Jamie Foxx und Kerry Washington noch ein zusätzliches Paradox aushalten: Ihr Regisseur ergreift für sie Partei, in dem er sie zum re-enactment jener Gewalt-Fantasien auffordert, die einst von Rassisten produziert und konsumiert wurden. Natürlich ist Djangos Rache dadurch filmisch gerechtfertigt. Aber wäre sie das nicht auch so?
Tarantino kann Zitate montieren, aber nicht mit ihnen argumentieren. Er ist ein Meister des Camp, aber Camp ist kein Werkzeug der Analyse. Wenn Tarantino eine Nofretete-Büste in einem feinen Südstaaten-Anwesen auftauchen lässt, so ist das historisch falsch, da sie damals noch im Wüstensand steckte. Ihm dürfte das egal sein, da er erstens Berlin mag und zweitens solche Anachronismen zum Charme hastig abgedrehter Genre-Filme gehören, die er so gern zitiert.
Old Shatterhand + Henry Higgins
Die Broomhilda- und Brünnhilde-Episode, in der Dr. King ein paar Worte über die Nibelungensage verliert? Eine Anekdote von irgendeinem Besuch einer Wagner-Oper mit Christoph Waltz. Tarantino macht immer auch Filme über sich und seine aktuellen Freunde. Nur: Wer soll in so einem Dickicht von Zeichen, Witzen und Verweisen, die dauernd von einer Ebene auf die andere springen, noch irgendetwas ernst nehmen?
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau
bei Film-Zeit.
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sowie hier eine Rezension des Films “On The Road” von Walter Salles, der ersten Verfilmung von Jack Kerouacs Beatnik-Roman.
Hollywood-Version von Bully Herbig
Der hyperrealistische Kamerablick auf geschundene Kreaturen produziert mit den Stilmitteln des Exploitation-Kinos kein Mitleid, sondern allenfalls fasziniertes Grauen – die Comic-hafte Vernichtung der weißen Sklaventreiber aber nur Schenkelklopfen und irgendwann Redundanz. Und wenn in belanglosen wie schockierenden Szenen alles Zitat ist: Wessen Projektionen und Fantasien kreuzen sich da eigentlich?
Wie man es auch dreht und wendet, es ergibt keinen Sinn. In Tarantinos Dschungel uneigentlicher Äußerungen und Blickwinkel steckt keine Kohärenz, hinter seinen Oberflächen kein System, jedenfalls kein antirassistisches. Und Tarantino ist weit davon entfernt, ein postmoderner Kubrick zu sein. Er muss aufpassen, dass er nicht zur Hollywood-Version von Michael «Bully» Herbig wird.