Kindliche Lust am Verstehen-Wollen von Welt
So wirken denn seine Landschaften eben nicht nur über ihre monumentale, fast obszöne Größe im Raum oder den Einsatz modernster Techniken, sondern leben vielmehr von der nahezu kindlichen Lust des Verstehen-Wollens und der Aneignung von Welt.
Beispielhaft für diesen Aspekt seines Werkes sind die in neun oder achtzehn Segmente unterteilten Video-Landschaften, die als bis zu sieben Meter lange Screen-Installationen präsentiert werden. Zu diesem Zweck experimentiert der Maler mit einem eigens entworfenen Gestell aus neun HD-Kameras, das er an einem Jeep montiert und mit dem er eine digitale, 3D-ähnliche Form der Landschafts«malerei» ausprobiert.
Augen-Wanderung durch die Welt
Während der Jeep langsam durchs Gelände fährt, nimmt jede Kamera einen anderen Ausschnitt der Umgebung auf. Es entstehen Multi-Fokus-Filme, die als Ausgangspunkt einer neuen Interpretation von Landschaft dienen. Die Anmutung dieser Arbeiten erinnert an den amerikanischen Avantgarde-Filmer James Benning, der sich seit Jahrzehnten mit dem Grenzbereich zwischen filmischem und gemaltem Bild beschäftigt.
Die Variation der Perspektive, Verschiebung und Steuerung des Blicks stehen bei diesen Werken Hockneys im Zentrum: Landschafts-Bilder als Augen-Wanderung durch die Welt, gebrochen und refokussiert mit Hilfe digitaler Technik. Dennoch bleibt Technik bei Hockney immer Mittel zum Zweck: eine Krücke, die das Auge zur Wanderschaft und Entdeckung zwingt.
«Die Welt ist schön, wenn man sie sich anschaut»
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Obsessionen" von R.B. Kitaj im Jüdischen Museum, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Pacific Standard Time" mit Werken von David Hockney im Martin-Gropius-Bau, Berlin.
«Die Welt ist schön, wenn man sie sich anschaut»: Für Hockney ist und bleibt dieser Satz eine – vorläufige – Quintessenz seines Schaffens. Sein Werk versucht unsere Sinne für das Schöne zu schärfen, spielt mit plakativ illusionistischem, bühnenbildhaftem Strich und poppigen Bonbon-Farben auf der Klaviatur unserer optischen Empfindungen.
Und so wirkt selbst ein vermeintlich ausgereiztes Sujet wie die Landschaftsmalerei frisch, anmutig, modern und zeitlos. Hockney lockt den Spaziergänger, den Augen-Wanderer ans Licht – und der Katalog wird für den Kunstliebhaber zum kunterbunten Gute-Laune-Bilderbuch für graue Wintertage.