Freizeit-Politiker auf Landsitz
Drittens: Auch Roosevelt hat eigentlich andere Sorgen. Aus der Enge Washingtons und des Weißen Hauses hat sich der Präsident, der seit einer Polio-Infektion gelähmt ist, auf das Familien-Anwesen «Hyde Park am Hudson» in Upstate New York zurückgezogen. Dort führt er das Leben eines Freizeit-Politikers, der am Gängelband seiner Mutter und an der langen Leine seiner Ehefrau Eleanor (Olivia Williams) gehalten wird.
Dabei will er sich eher um seine Liebschaften kümmern als um das Weltgeschehen. Viertens: Seine aktuelle Geliebte Daisy Suckley (Laura Linney), Roosevelts Cousine fünften Grades, hadert mit der nachrangigen Rolle, die der Präsident seinen Liebhaberinnen zuweist, wie sie im Laufe der Zeit erkennen muss.
Im Cabrio durch Blumen-Wiesen
Von Landlust und dem Drang getrieben, den Verpflichtungen seines Amtes entgehen zu können, heizt Roosevelt trotz Krücken, protofeministischer Gattin und weltpolitischer Gemengelage mit seinen Gespielinnen im Cabriolet durch Blumen-Wiesen. Doch auch hier holt ihn das Tagesgeschäft ein: Am 11. Juni 1939 soll auf dem Landsitz anlässlich des Treffens von König und Präsident ein Picknick stattfinden.
Der Brite Roger Michell hat als Theaterregisseur begonnen und dann mit einer Jane-Austen-Verfilmung 1995 auf der Leinwand debütiert. Seinen zehnten Spielfilm inszeniert er als psychologisches Verwicklungs-Stück, dessen pittoreskes Neuengland-Idyll auch in den Hügeln von Yorkshire liegen könnte.
Mentalitäts-Unterschiede zwischen alter + neuer Welt
Dekorativ verpackt als munteres Sommer-Dramolett in der Provinz, kann sich der Film nicht recht entscheiden: Will er Roosevelt als promisken Lebemann zeigen oder als erfahrenen Politiker, der besonders das Zwischenmenschliche kultiviert?
Hintergrund
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und der Bürgerin Wallis Simpson
sowie hier eine Rezension des Nachkriegs-Dramas
“The Deep Blue Sea”
von Terence Davies mit
Rachel Weisz
und hier eine kultiversum-Lobeshymne auf den
Oscar-prämierten Film
“The King’s Speech -
Die Rede des Königs”
von Tom Hooper mit
Colin Firth als George VI..
Aufwendiges Ausstattungs-Geplänkel
Drehbuchautor Richard Nelson begnügt sich nicht damit, solche Diskrepanzen auszugestalten; er versteht dem Film auch als persönliche Geschichte über sich selbst. Er lebt in Rhinebeck, der Heimatstadt von Roosevelts Geliebter Daisy Suckley: Sie wurde 100 Jahre alt und starb 1991. Der Hochbetagten ist Nelson noch in ihrem Haus begegnet; zudem hatte er Zugriff auf private Briefe und Tagebücher.
Die Details dieser Affäre des nach Abraham Lincoln wohl einflussreichsten US-Präsidenten mit seiner entfernten Cousine hätten wohl genug Stoff für einen eigenen Film abgegeben. Doch an der Verschränkung beider Geschichten scheitert der Film leider; er bleibt kaum mehr als amüsantes und aufwendig ausgestattetes Geplänkel.