Steven Soderbergh

Side Effects

Dr. Jonathan Banks (JUDE LAW) und Dr. Victoria Siebert (CATHERINE ZETA-JONES): Zwei Psychiater – eine Patientin. Foto: Senator Film
(Kinostart: 25.4.) Psychopharmaka als tödliche Waffe: Eine Depressive ersticht unter Medikamenten-Einfluss ihren Mann. Leider ignoriert Regisseur Soderbergh das Thema Psychiatrie, um einen Thriller ohne Risiken und Nebenwirkungen zu verabreichen.

Jede Zeit hat ihre Zivilisations-Krankheiten. Vor 100 Jahren wurde häufig Hysterie diagnostiziert, heute sind es Depressionen, Burnout und Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS). Und jede Zeit behilft sich mit angeblichen Allheilmitteln: Vor 100 Jahren wurden Frauen gern Vibrator-Behandlungen verschrieben, heute sind es Antidepressiva und Ritalin.

 

Info

Side Effects

 

Regie: Steven Soderbergh

107 Min., USA 2013,

Mit: Jude Law, Rooney Mara, Channing Tatum

 

Website zum Film

Das spannende Thema, dem Regisseur Steven Soderbergh seinen neuen Film widmet, ist ein unbeackertes Feld: Der massenhafte Ge- und Missbrauch von Medikamenten wird von der Populärkultur praktisch ignoriert – abgesehen von traditioneller Drogen-Verherrlichung in Rock und dancefloor music.

 

Legale Drogen wirken stärker

 

Dabei sind Psychopharmaka nicht nur legale, sondern auch sehr effektive Drogen: Sie wirken viel stärker als zweifelhafte Mixturen, die in Hinterzimmern zusammengepanscht werden. Und sie werden nicht von Außenseitern, sondern Leistungsträgern konsumiert. Genauer: Denjenigen, die es waren, bevor ihre Psyche nicht mehr mitspielte – und die rasch wieder fit sein wollen.


Offizieller Filmtrailer


 

Gatten-Mord nach Pillen-Test

 

Wie Emily Taylor (Rooney Mara): Sie lebte mit ihrem Mann (Channing Tatum) in Saus und Braus, bevor der Broker wegen Insiderhandels in den Knast wanderte. Als er nach vier Jahren Haft entlassen wird, hat Emily ihre seelische Stabilität verloren. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wird sie von Dr. Jonathan Banks (Jude Law) behandelt.

 

Der Psychiater ist ein Star seiner Profession und stets bereit, neue Präparate in Studien zu testen: Dafür zahlen Pharma-Firmen gut. Auf Anraten seiner Kollegin Dr. Siebert (Catherine Zeta-Jones) verabreicht Banks probeweise Emily die Pille «Ablixa» – und sie ersticht ihren Mann. Ein Desaster für den Arzt: Patienten laufen weg, die Polizei ermittelt gegen ihn und seine Frau trennt sich.

 

Thriller als Beruhigungsmittel

 

Doch der Super-Doc gibt nicht auf: Allein gegen alle forscht er auf eigene Faust nach und deckt eine perfide Intrige auf. Die führt weit weg aus der Welt der Psychiatrie dorthin, wo Thriller üblicherweise angesiedelt sind: in eine Gemengelage aus Leidenschaft, Gier und krimineller Energie.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Magic Mike" von Steven Soderbergh mit Channing Tatum als Stripper

 

und hier einen Bericht über den Film-Essay "Global Virus - Die Virus-Metapher" von Madeleine Dewald + Oliver Lammert

 

und hier ein Beitrag zum Film "Contagion" von Steven Soderbergh mit Jude Law über eine Seuchen-Katastrophe

Als Thriller funktioniert der Film gut. Allerlei versteckte Indizien, scheinbare Sackgassen und überraschende Wendungen machen ihn zum Sehvergnügen für Krimi-Freunde. Das ebenso sedierend wirkt wie Beruhigungsmittel: Der Held triumphiert, das Böse scheitert, alles im Lot.

 

Ärzte als Pharma-Erfüllungsgehilfen

 

Was schade ist; auf halber Strecke verliert das Drehbuch die Ausgangs-Konstellation völlig aus dem Blick. Samt der Problematik, die sich darin verbirgt: ein riesiger pharmazeutisch-industrieller Komplex, der alles daran setzt, damit möglichst viele Menschen möglichst lange seine Produkte schlucken.

 

Dabei werden Ärzte aus Eigeninteresse zu Erfüllungsgehilfen: Pillen verschreiben ist die einfachste und lukrativste Behandlung. Auf Patienten individuell einzugehen, verschlingt kostbare Zeit.

 

Lukratives Erfolgsrezept

 

Regisseur Soderbergh hat 2011 gezeigt, dass er medizinische Sujets ernst nehmen kann: «Contagion» überzeugte als Gedankenspiel über Epidemien im Zeitalter der Globalisierung. Diesmal dient ihm Psychiatrie nur als Aufhänger, um einen routiniert konstruierten Genre-Film abzuspulen; in Hollywood immer noch ein Erfolgsrezept ohne Risiken und Nebenwirkungen.