Berlin

Von Beckmann bis Warhol – Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts – Die Sammlung Bayer

Martin Schuster: Es ist soweit (Detail), 2009, Öl/Acryl auf Leinwand. Foto: © Martin Schuster /Quelle: Martin Gropius Bau
Da kommt fast kein Privatsammler mit: Die Bayer AG hat in 100 Jahren rund 2000 Kunstwerke angekauft. 240 Stücke der Firmen-Kollektion werden nun im Martin-Gropius-Bau erstmals öffentlich ausgestellt – eine beeindruckend hochwertige Auswahl.

Das Bekenntnis zur bildenden Kunst gehört heute zum Marketing und zur Corporate Identity global agierender Unternehmen einfach dazu. Wenn sich die Sammlung Bayer nun im Martin-Gropius-Bau ausbreitet, dann verspricht sich der Vorstand des Chemiekonzerns davon gesellschaftliche Anerkennung.

 

Info

Von Beckmann bis Warhol - Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts
Die Sammlung Bayer

 

22.03.2013 - 09.06.2013
täglich außer dienstags
10 bis 19 Uhr
im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Berlin

 

Katalog 25 €

 

Weitere Informationen

Sobald Firmen-Sammlungen an die Öffentlichkeit gehen, wird mit den Exponaten auch die Eitelkeit der Unternehmen ausgestellt. Doch auch die Sammlung selbst profitiert von der Musealisierung: Sonst voneinander getrennte Werke müssen erst einmal erfasst und gruppiert werden, um sie für eine Ausstellung vorzubereiten.

 

Kunstgenuss am Arbeitsplatz

 

Das ist nicht leicht bei einer Kollektion, die weitgehend ohne Konzept entstanden ist. Vor 100 Jahren war der Aufbau einer repräsentativen Kunstsammlung nicht nur Ausdruck individuellen Geschmacks. Sie dokumentierte auch die soziale Idee, den Angestellten während der Arbeitszeit Kunstgenuss zu ermöglichen.


Statements + Impressionen der Ausstellungs-Eröffnung; © Bayer TV


 

Artothek verleiht Werke an Mitarbeiter

 

Ein Bildungs-Gedanke, der Lebensreform-Bestrebungen der Jahrhundertwende entsprang und damals wegweisend war. Carl Duisberg, langjähriger Generaldirektor der heutigen Bayer AG, legte Anfang des 20. Jahrhunderts den Grundstock für die Kollektion des Pharmariesen. «Duisberg sammelte nach dem Prinzip: Was mir gefällt, das kaufe ich», erklärt Michael Schade, Leiter der Bayer-Kommunikationsabteilung.

 

Heute ist ein Großteil der Sammlung nicht nur in repräsentativen Räumlichkeiten der Konzern-Zentrale und anderen Standorten zu sehen, sondern über die firmeneigene Artothek entleihbar. Einzelne Werke – ob Druckgrafik, Ölgemälde oder Bronzeskulptur – können zeitweise von den Mitarbeitern für ihre Büros oder Konferenzräume ausgeliehen werden.

 

Kunst-Debatten mit Uni-Professor

 

Diese Teilhabe und Kunstvermittlung versteht Bayer als Teil seiner Unternehmenskultur. Schon 1979/80 veranstaltete man Seminare mit dem Kunsthistoriker Max Imdahl von der Universität Bochum unter dem Motto «Arbeiter diskutieren moderne Kunst». Inzwischen koordiniert das Unternehmen vier bis sechs Wechselausstellungen im Jahr.

 

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau feiert 150 Jahre Bayer; zugleich konzentriert sie sich auf die Sammlungs-Geschichte ab 1950, als sich das Unternehmen neu gründete. Kuratorin Andrea Peters, Leiterin des Kunst-Referats, hat dafür die heterogenen Sammlungs-Bestände thematisch und chronologisch neu geordnet und etwa 240 Werke für die Schau ausgewählt.

 

Nachholbedarf nach dem Weltkrieg

 

Mit vier Schwerpunkten: deutscher Expressionismus, französische Moderne, europäische Nachkriegs-Abstraktion sowie die Kunst der 1970er Jahre bis zur Gegenwart. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der kulturelle Nachholbedarf groß – und vielleicht auch der Drang, von der eigenen Firmengeschichte während des Nationalsozialismus abzulenken. Also rückten die lange Jahre verfemten Avantgarden in den Mittelpunkt des neu geweckten Sammel-Interesses.

 

Herausragend ist eine Mappe mit 24 Zeichnungen von der Hand Ernst Ludwig Kirchners, die 1959 erworben wurde: schnell gestrichelte Akte, Kaffeehaus-Szenen und Porträts, aber auch ein herrlich lapidares, aber nicht weniger elegantes Bildnis einer Skiläuferin, in himbeerrot und giftgrün koloriert. Ein gutes Auge bewies die damalige Kulturabteilung aber auch für Druckgrafik, wie Holzschnitte von Erich Heckel und Kirchner, Lyonel Feininger und Karl Schmidt-Rottluff belegen.