Berlin

BubeDameKönigAss – Martin Eder, Michael Kunze, Anselm Reyle, Thomas Scheibitz

Martin Eder: Frühlingserwachen (Detail). 2008, Öl auf Leinwand; © courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Foto: ohe
Totgesagte leben länger: Unter dem Motto "Painting forever!" stellt die Neue Nationalgalerie großformatige Gemälde von vier zeitgenössischen Malern aus – und bietet deren Galerien eine Bühne, um durch Musealisierung ihren Marktwert hochzutreiben.

Der Totenschein für die Malerei ist so alt wie die Moderne selbst. Marcel Duchamp war einer der ersten Totengräber, als er 1912 auf der Pariser Luftfahrtschau „Aérosalon“ erhebliche Zweifel an der Gattung äußerte: „Die Malerei ist am Ende. Wer kann etwas Besseres machen als diese Propeller“, fragte er den Bildhauer Constantin Brâncuşi: „Du etwa?“.

 

Info

 

BubeDameKönigAss - Martin Eder, Michael Kunze, Anselm Reyle, Thomas Scheibitz

 

6.9.2013 - 24.11.2013

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

in der Neuen Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Berlin

 

Weitere Informationen

 

Bis dahin bestimmte die Malerei mit figurativen Motiven die Künste; nun driftete sie in die Abstraktion. Schließlich landete die Malerei beim Abstrakten Expressionismus der 1950er Jahre. Nachdem sich die Gattung mit diesem Pathos der reinen Form selbst beerdigt hatte, steuerte die übrige Kunst in den Minimalismus und den konzeptuellen Diskurs.

 

Rotzige Ästhetik der „Neuen Wilden“

 

Doch immer wieder probten Maler die Auferstehung. Die „Neuen Wilden“ riefen um 1980 trotzig eine Malerei nach dem Ende der Malerei aus und verlegten sich auf eine rotzige Ästhetik; doch bald mussten sie sich der medialen Revolution mit Video- und Installationskunst geschlagen geben.

 

Flachware verkauft sich am besten

 

Dennoch fehlt es nicht an Wiederbelebungs-Versuchen. 20 Jahre später feierte die so genannte „Leipziger Schule“ die gegenständliche Malerei mit einem Pomp, als wäre nichts gewesen. Figuration und Narration, Neo-Surrealismus und Neo-Neo-Expressionismus waren plötzlich wieder da.

 

Während die Kunstkritik sich stetig an der Malerei stößt, begeistert sie nicht nur das Publikum, sondern auch den Handel: Flachware ist eben am besten zu verkaufen. Insofern ist die Parole „Painting Forever!“ auch ein Versprechen an den Kunstmarkt.

 

Nationalgalerie als Verkaufsmessen-Satellit

 

Bei diesem Projekt arbeiten vier Institutionen – die Berlinische Galerie, die Deutsche Bank KunstHalle, das KW Institute for Contemporary Art und die Neue Nationalgalerie – zusammen, um zeitgenössischer Malerei eine Bühne zu bieten. Die Galerien helfen kräftig mit. Dafür macht die Berliner Senatskanzlei knapp 500.000 Euro locker; die Kooperation soll alle zwei Jahre fortgesetzt werden.

 

In der Neuen Nationalgalerie wird der Flirt mit dem Kunstmarkt besonders deutlich. Die Ausstellung „BubeDameKönigAss“ sieht aus wie ein Satellit der Verkaufsmessen „abc – art berlin contemporary“ oder „Preview Berlin“. Auf vier Ecken verteilt, dürfen sich die Gemälde von Martin Eder, Michael Kunze, Anselm Reyle und Thomas Scheibitz ausbreiten, aber nicht mischen.

 

Von Narration und Kitsch bis Kalkül oder Zufall

 

Die Malermeister sind zwischen 1961 bis 1970 geboren. Mit dem angeblichen Tod der Malerei wollten sie sich nie abfinden, trotz unterschiedlicher Herangehensweise. Sie verhandeln die Gegensätze der Moderne inhaltlich wie formal mit dem typischen Selbstbewusstsein ihrer Künstlergeneration.

 

Von Abstraktion bis Figuration, von Referenz bis Utopie, von Fahrigkeit bis Virtuosität, von Narration und Kitsch bis zu Kalkül oder Zufall stecken die Maler ihren Handlungsradius ab. Sie haben auch die Höhen und Tiefen der öffentlichen Wertschätzung kennen gelernt.

 

Von der Biennale zum Museen-Bleiberecht

 

Reyle etwa war zeitweilig der hoch gehandelte shooting star eines überhitzten Kunstmarkts. Scheibitz hat zwar Deutschland schon auf der Biennale in Venedig vertreten, aber noch kein dauerhaftes Bleiberecht in deutschen Museen erwirkt.

 

Bislang sei in der Neuen Nationalgalerie – abgesehen von Stars wie Jörg Immendorff oder Gerhard Richter – kaum zeitgenössische Malerei gezeigt worden, räumt Direktor Udo Kittelmann ein: Man habe sich nun für diese vier Künstler entschieden, weil sie sich durch „polarisierende Rezeption“ und „emotionalisierende Wirkung der Malerei“ auszeichneten.

 

Warum soll Malerei ewig relevant sein?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Bericht über die Berlin Art Week 2013 mit den beiden wichtigsten Kunstmessen "abc - art berlin contemporary" und "Preview Berlin Art Fair"

 

und hier einen Beitrag über die 55. Biennale in Venedig 2013

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Verwandlung der Götter" mit Werken von Michael Triegel, Hauptvertreter der "Neuen Leipziger Schule", im Museum der bildenden Künste, Leipzig.

 

Leider macht sich die Ausstellung nicht die Mühe, zu klären, warum Malerei heute und laut Slogan „Painting Forever!“ bis in alle Ewigkeit relevant sein soll. Kittelmann scheut sich, sein Museum als Kompetenzorgan zu verpflichten, und will lieber „Ergebnisoffenheit als Kriterium der Kunst diskutieren“. Was auch immer das heißen soll.

 

Eigentlich beabsichtigte er bei seinem Amtsantritt, intensiver mit den eigenen Sammlungen zu arbeiten. Im Rahmen der „Berlin Art Week“ hätte sich angeboten, vier zeitgenössische Positionen in den Kontext ausgewählter Werke der Nationalgalerie zu stellen.

 

Mit freundlicher Galerie-Unterstützung

 

Stattdessen überlässt Kittelmann drei großen Berliner Galerien das Feld, damit sie ihre Künstler musealisieren können: Eder wird von „Eigen + Art“, Kunze und Reyle von „Contemporary Fine Arts“ und Scheibitz von „Sprüth Magers“ vertreten. Die Berlinische Galerie sekundiert mit einer gigantischen Malerei-Installation von Franz Ackermann, unterstützt von dessen Galerie „neugerriemschneider“. Totgesagte – und vor allem Totgeschriebene – leben länger!