Zehn Millionen auf einen Schluck
Im Barock mit seiner Leidenschaft für Pomp, Prunk und Selbstinszenierung haben Kleopatra-Bilder Hochkonjunktur. Nun rücken theatralische Momente in den Vordergrund: etwa ihr erstes Treffen mit Marcus Antonius 41 v. Chr. in Tarsos, das Plutarch als Einzug einer Märchenkönigin in goldgleißendem Gepränge schildert.
Oder ein angebliches Festmahl, von Plinius d.Ä. erzählt: Kleopatra habe mit Antonius gewettet, sie könne auf einen Schlag den Gegenwert von zehn Millionen Sesterzen verspeisen. Dann löste sie eine riesige Perle in einem Glas Essig auf und schluckte es hinunter. Dieser Inbegriff von Verschwendungssucht ist als Motiv für Künstler ein gefundenes Fressen.
Ebenbild einer lasziven Orientalin
Die Lust am Anekdotischen wird im 19. Jahrhundert übermächtig; sie blendet den politischen Kontext völlig aus, dass Kleopatra eine gewieft taktierende Regentin war. Gefragt ist nun das Ebenbild einer lasziven Orientalin schlechthin. Schon zuvor wurde sie meist mit entblößten Brüsten dargestellt, damit die Schlange malerisch zubeißen kann; nun wird die Selbstmörderin gänzlich entblättert.
Impressionen aus dem orientalischen Garten auf dem Dach der Bundeskunsthalle
Damen-Porträts im Kleopatra-Kostüm
„Was zählt, ist salonfähige Sinnlichkeit im historischen Kostüm“, betonen die Kuratorinnen: Kleopatra als Pin-up-Girl einer Zeit, die ihre Frauen fest verschnürte. Wobei diese im Gegenzug gern mit den Attributen der Ägypterin spielten: Damen der feinen Gesellschaft ließen sich häufig als Kleopatra kostümiert porträtieren.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Königsstadt Naga – Grabungen in der Wüste des Sudan" - im Kunstforum der Berliner Volksbank, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Wegbereiter der Ägyptologie: Carl Richard Lepsius 1810-84" - im Neuen Museum, Berlin
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Orientalismus in Europa" - in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München
Dachgarten wie im alten Ägypten
Das ist nun auch schon ein halbes Jahrhundert her; längst ist das Interesse für die Antike arg abgeklungen. Doch der Kleopatra-Look hat überlebt: Wenn Pop-Heroinen wie Grace Jones oder Madonna ihren Ausnahmestatus demonstrieren wollen, legen sie Bob-Perücke, Pharaonen-Kopfputz und Goldlamé-Gewand an.
Alles arg überkandidelt für Normalsterbliche. Um ihnen das Lebensgefühl im alten Ägypten trotzdem etwas näher zu bringen, hat die Bundeskunsthalle zusätzlich einen „orientalischen Garten“ angelegt.
Wenn man ihr aufs Dach steigt, kann man zwischen Palmen-Alleen, geometrischen Blumen-Rabatten und Musterbeeten lustwandeln. In denen sprießen Gewürz- und Duftpflanzen, die noch heute verwendet werden: etwa Minze, Kamille und Melisse. Eine Prise antikes Ägypten findet sich in jeder Küche.