Der 17-jährige Ben (Samuel Schneider), Internatsschüler aus gutem Hause, will seine Sommerferien eigentlich mit seinen Schulfreunden verbringen. Doch seine geschiedenen Eltern haben beschlossen, dass er seinen Vater (Ulrich Tukur) besuchen soll, den er lange nicht gesehen hat: Der ist gefeierter Theaterregisseur und soll in Marrakech ein Lessing-Stück inszenieren.
Info
Exit Marrakech
Regie: Caroline Link,
122 Min., Deutschland 2013;
mit: Ulrich Tukur, Samuel Schneider, Hafsia Herzi
Marihuana-Kauf auf dem Marktplatz
Kaum in Marrakesch angekommen, durchwandert er die laute, bunte Altstadt. Er landet prompt auf dem großen Marktplatz mit fliegenden Händlern und Schlangenbeschwörern, wo er sich etwas Marihuana besorgt. Das erste Wiedersehen mit seinem Vater nach Jahren fällt reichlich ungelenk aus. Immerhin hat Papa dem Sohn für seinen bevorstehenden Geburtstag eine Torte besorgen lassen; ohne Schokolade, weil der Junge Diabetiker ist. Mehr Zuwendung gibt es erst einmal nicht.
Offizieller Filmtrailer
Liebelei mit einer Einheimischen
Den Vater interessiert die Stadt überhaupt nicht, das Leben findet für ihn im Theater statt. Er liest am Pool seines Luxushotels Paul Bowles´ Sahara-Roman „Himmel über der Wüste“; das reicht ihm als Lokalkolorit. Währenddessen lässt sich Ben von zwei jungen Marokkanern durch Marrakech führen. Ihm ist Hochkultur egal, er will das wahre Leben und die Wüste sehen.
In einer Bar lernt er Karima (Hafsia Herzi) kennen, mit der er spontan zu ihrer Familie in die Berge fährt, um seinem Vater zu entfliehen. Karimas Eltern sind davon allerdings wenig begeistert – ein fremder Mann aus dem Ausland bringt Schande über die Familie. Allein mit einem Führer schlägt er sich weiter durch. Die Wüste ist nah, der Insulinvorrat wird jedoch knapp.
Schön fotografierte Postkarten-Idylle
Sein Vater merkt erst spät, dass der Sohn verschwunden ist, und alarmiert die Polizei; sie greift den Jungen beim Dünen-Surfen auf. Erst hier in der Wüste, eingepfercht in ein Mietauto, beginnen die beiden, miteinander zu reden: um auszuloten, ob sie aneinander überhaupt noch Interesse haben.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Das Schwein von Gaza" - fantasievolle Tragikomödie mit Ulrich Tukur von Sylvain Estibal
und hier einen Bericht über den Film "Der Fluss war einst ein Mensch" - beeindruckendes Psycho-Drama in Afrika von Jan Zabeil
und hier eine kultiversum-Rezension des Films "Das Lied in mir" - über einen Vater-Tochter-Konflikt in Argentinien von Florian Cossen
Könnte in jeder Kleinstadt spielen
Kulturelle oder gesellschaftliche Konflikte deutet Regisseurin Link nur an, sogar das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis wird erst im letzten Drittel wirklich ausgebreitet. Als Zugeständnis an den Schauplatz bevölkern patriarchalische Männer, korrupte Polizisten, herzige Kinder und wilde Frauen die Geschichte, die ebenso gut in jeder beliebigen Kleinstadt spielen könnte.
Aber natürlich ist es hübscher, durch die Sahara anstelle des Sauerlands zu fahren und dabei noch ein paar Beduinen zu beobachten. Das sieht gut aus, trägt aber keine zwei Stunden Laufzeit.
Dennoch verliert man nicht das Interesse: dank des hervorragenden Zusammenspiels von Tukur und Schneider, die ihren Figuren Charakter und facettenreiche Tiefe zu geben verstehen. Sie bewahren den Film vor dem Abdriften in ein rein eskapistisches Rührstück.