Axel Ranisch

Auf den Wellen des Moments reiten

Axel Ranisch. Foto: ORF
Regisseur Axel Ranisch hat Erfolg mit Low- bis No-Budget-Filmen: Er dreht ohne Förderung oder Drehbuch, dafür mitten aus dem Leben. Ein Gespräch über seinen Überraschungs-Hit "Dicke Mädchen" und den Nachfolger "Ich fühl mich Disco".

Den Film im Kopf einfach drehen

 

Wie hat Rosa von Praunheim Ihre Arbeit beeinflusst?

 

In erster Linie durch seine Produktivität. Er war mit seiner nie versiegenden Energie immer ein Vorbild. Er dreht fünf Spielfilme im Jahr und schreibt in jeder freien Sekunde Gedichte. Das ist unglaublich. Er hat mich als Professor an der Filmhochschule immer unterstützt.

 

Wenn Du einen guten Film im Kopf hast, brauchst du dafür keine Kohle, sagte er mir: Dreh ihn einfach. Auch mit einer schlechten Kamera. Er ist mein größter und wichtigster Einfluss, auch wenn wir sehr unterschiedliche Filme machen. Rosa macht tolle Dokumentarfilme, weil sich für jeden Menschen interessiert.

 

Er spielt auch eine kleine Nebenrolle im Film. Wie kam es dazu?

 

Er meinte immer: Mach deine ersten Filme über Dingen, mit denen du dich wirklich auskennst. Ich dachte, dann muss er da auch rein. Ich bin mir nicht sicher, ob er das Ergebnis mag. Ihm ist lieber, wenn es schräger, absurder und fantastischer wird. Wie sehr er einen Film mag, hängt aber auch von seiner Tagesform ab.


Offizieller Film-Trailer von "Dicke Mädchen"


 

Wurzeln machen Nestbauer stark

 

Der Erfolg ist da. Würden Sie gerne aufwändigere Produktionen drehen?

 

Ich habe Angst, dass mir ein großer Apparat den Blick auf das Wesentliche, die Schauspieler, verstellen könnte. Ich muss erst lernen, mit einem größeren Team zu arbeiten. Ich hege keine großartigen Träume und bin zufrieden mit meiner Wohnung in Berlin-Lichtenberg, wo ich aufgewachsen bin. Ich bin ein Nestbauer. Diese Wurzeln machen mich stark. Meine Eltern, meine Schwester und meine Oma wohnen in der Nähe.

 

Sie werden demnächst in München auch Oper inszenieren. Wie hat sich das ergeben?

 

Der Intendant der Bayrischen Staatsoper war begeistert von „Dicke Mädchen“ und sagte seinen Dramaturgen, sie sollten sich überlegen, ob man was mit mir machen kann. Im Januar kam das Angebot. Ich war immer ein Klassik-Nerd: Zwischen meinem elften und 18. Lebensjahr habe ich nur Musik gehört. Ich wäre auch gerne Komponist oder Dirigent geworden, habe aber spät angefangen und erst mit 16 Jahren ein Klavier bekommen.

 

Keine TV-Chancen für nicht geförderte Filme

 

Wie haben Sie als Klassik-Fan den Schlagersänger Christian Steiffen entdeckt?

 

Ich mochte Schlagermusik immer gerne. Steiffen war in Osnabrück eine Lokalgröße; er ist an sich schon eine ironische Figur und ein Phänomen. Dass die Mutter im Film auf ihn abfährt, ist logisch. Musikalisch lebt der Film auch vom Spannungsverhältnis zwischen den Schlagern von Steiffen und Rachmaninov, von dem der Rest der Filmmusik kommt.

 

Der von Jakob Lass ebenfalls ohne Drehbuch gedrehte Film „Love Steaks“ gewann bei seiner Premiere auf dem Filmfest in München gleich alle Preise…

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ich fühl mich Disco" - von Axel Ranisch

 

und hiern eine Besprechung des Films “Exit Marrakech” – Familiendrama um Vater-Sohn-Konflikt von Caroline Link mit Ulrich Tukur

 

und hier einen Bericht über den Film Der Fremde am See”schwuler Kammerspiel-Thriller von Alain Guiraudie

 

und hier eine Rezension des Films “Parada” – originelle serbische Schwulen-Komödie von Srdan Dragojević

… was ein Zeichen ist! Ich fände gut, wenn ohne Förderung entstandene, improvisierte Filme wie „Love Steaks“ bei der Auswertung größere Chancen bekämen. Dadurch, dass das deutsche Kino völlig von den TV-Sendern bestimmt wird und die ungern Werke kaufen, die sich nicht mit erdacht oder finanziert haben, gibt es für andere Filme kaum eine Auswertungs-Chance.

 

Ein Film wie „Schwarze Schafe“, der im Programmkino sehr erfolgreich war, hat es nie ins Fernsehen geschafft. „Dicke Mädchen“ wird es auch nie ins Fernsehen schaffen. Man lässt uns nicht rein. Solchen Filmen wird nicht die Chance gegeben, ein breites Publikum zu erreichen; obwohl sie bewiesen haben, dass sie publikumstauglich sind und gerne gesehen werden.

 

Oma einpacken + auf Kinotour gehen

 

Wie verändern Filme wie Ihre die Filmlandschaft?

 

Ich habe erreicht, dass ich Drehen darf, wie ich will. Wir haben „Ich fühl mich Disco“ ohne geschriebene Dialoge gedreht, nur mit acht Seiten Szenen-Entwurf. Es sieht aus, als würde das auch beim nächsten Filme klappen: „Alki, Alki“, eine Tragikomödie um Alkoholismus im Alkoholiker-Milieu.

 

Wie könnte eine andere Kinoauswertung aussehen?

 

Darüber denken wir auch nach. Für einen Film wie „Dicke Mädchen“ ist es ein großes Problem, dass er nach zwei Wochen aus den Kinos genommen wird; denn es braucht Zeit, bis sich per Mundpropaganda herumspricht, wie gut er ist. Wenn man kein Geld für Werbung hast, kann man nur auf diese Weise im Kino Erfolg haben.

 

„Dicke Mädchen“ hatte 10.000 Zuschauer. Das lag aber auch daran, dass wir auf einer Kinotour durch 40 Städte gereist sind und nach der Vorstellung persönlich auf der Bühne standen. Wir haben Oma eingepackt und sind durch Deutschland gefahren.