Bonn

Florenz! + Villa Romana

Großherzogliche Werkstätten nach einer Zeichnung von Bernardino Poccetti : Toskanische Landschaft, 1608, Pietra-dura-Mosaik. Foto: © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Genie-Überdosis: Nur in der Toskana-Metropole kann man Botticelli, Leonardo, Michelangelo, Galilei und viele mehr an einem Ort sehen. Die Bundeskunsthalle serviert die Stadtgeschichte in Appetithappen; für vollen Genuss sind aber Vorkenntnisse nötig.

Weder David noch Geburt der Venus

 

Ihnen dürfte im Getümmel auf den Straßen viel entgehen, aber dennoch gewinnen sie wohl einen flüchtigen Eindruck von Dom und Baptisterium, Uffizien und Loggia dei Lanzi. Den brauchen sie für diese Ausstellung, denn die setzt solche Vorkenntnisse voraus. Mit einer Einführung in Basiswissen hält sich die Schau nicht auf: Es gibt weder Zeittafeln noch Lagepläne oder Anschauungs-Material zu den wichtigsten Baudenkmälern.

 

Stattdessen werden kurz Eckdaten aufgerufen, dann geht es ins Detail. Wer die zu würdigen weiß, kommt aus dem Staunen kaum heraus. Zwar fehlen Botticellis „Geburt der Venus“ und Michelangelos „David“, doch viele gleichrangige Stücke sind zu sehen: von Botticelli etwa ein Madonnen-Andachtsbild aus dem Louvre, ein Porträt des Giuliano de‘ Medici und das Gemälde „Minerva und der Kentaur“ aus den Uffizien, das einst eine Medici-Gattin zur ehelichen Tugend anhalten sollte.

 

Nur Megastars fehlen

 

Der Renaissance-Bildhauer Andrea del Verrocchio schuf die überlebensgroße Bronze-Gruppe „Christus und der ungläubige Thomas“: Sie schmückte die zentrale Nische der Getreidemarkt-Kirche Orsanmichele. Von Filippino Lippi stammt ein kreisrundes Marienbild: Dieses so genannte „Tondo“ ist das größte seiner Art. Von Fra‘ Angelico darf man das gesamte Leben Jesu in 35 kleinteiligen Bildfeldern bewundern.

 

Fast alle berühmten Früh- und Hochrenaissance-Künstler in Florenz sind vertreten – nur die Megastars nicht: Giotto fehlt ganz, von Leonardo und Michelangelo werden nur ein paar Skizzen gezeigt. Die kleinen Zeichnungen haben zwar Bezug zur Stadtgeschichte, dürften aber nur Fachleute begeistern.

 

Galileis Fernrohr als Replik

 

Schaulustige kommen dagegen in der Abteilung zur „Galleria dei Lavori“ auf ihre Kosten: Die 1588 gegründeten Werkstätten belieferten den Medici-Hof mit prunkvollem Kunsthandwerk. Etwa farbenprächtige Mosaiken in pietra-dura-Technik: Farbige Steine wurden geschnitten und zu leuchtenden Landschaften als Wandbilder oder Tischplatten zusammengesetzt. Diese Arbeiten waren so begehrt, dass der Herzog ein Exportverbot erließ.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Michelangelo – Zeichnungen eines Genies" in der Albertina, Wien

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Das Jahrhundert Vasaris"  - Florentiner Zeichner des Cinquecento in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Viaggio in Italia" über deutsche + französische Künstler auf Italien-Reisen 1770 – 1880 in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe.

 

Die Schau will jedoch nicht nur Kunst-, sondern die gesamte Kulturgeschichte vorführen. So liegen frühe Ausgaben von Dantes Göttlicher Komödie und Boccaccios Dekamerone ebenso aus wie eine Replik von Galileis Fernrohr.

 

Härtetest in der Villa Romana

 

Das Bestreben, alles zu berücksichtigen, was je nach Florenz kam, schießt allerdings etwas ins Kraut: Exotisches wie ein Federmantel aus Brasilien oder ein Trauergewand aus Tahiti, das die weltweiten Kontakte der Stadt belegen soll, nehmen sich inmitten dieser Ballung von Renaissance- und Barock-Meisterwerken recht deplatziert aus.

 

Diese schockhafte Begegnung mit Unerwartetem ist ein gutes Vorbereitungs-Training auf das, was auf Kunstfreunde bei einer Reise in die Stadt selbst zukommt. Wer sich weiter abhärten will, sollte sich anschließend in die Parallel-Ausstellung „Villa Romana – Das Künstlerhaus in Florenz“ stürzen.

 

Hierher werden seit 1905 alljährlich vier in Deutschland lebende Künstler für zehn Monate eingeladen. Die Schau führt eine Auswahl der dort entstandenen Arbeiten vor; dieses kunterbunte Sammelsurium gibt garantiert jedem Besucher den Rest. Florenz ist eben ein gefährliches Pflaster.