Berlin

8. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst

Otobong Nkanga: In Pursuit of Bling: The Coalition, 2014; Installation (Detail). Foto: ohe
Neuer Spielplatz, alte Schwächen: Die Biennale rückt in die Museen Dahlem ein, ignoriert aber deren Weltklasse-Bestände. Stattdessen frönen Werk-Serien reihenweise der Tonnenideologie: Mehr ist besser! Dieses überflüssige Spektakel gehört entsorgt.

Originelle Cartoons aus Indien von 1930

 

Im Serien-Einerlei wirkt paradoxerweise das älteste Beispiel am frischesten: Der indische Grafiker Gaganendranath Tagore, Neffe des Literatur-Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore, starb bereits 1938. Doch die Aufnahme längst verblichener Künstler als „Wiederentdeckung“ in aktuelle Ausstellungen ist derzeit Mode. Diesmal zurecht: Tagore schuf bis 1930 so originelle Zeitungs-Cartoons von ätzendem Witz, dass die meisten heutigen Karikaturen dagegen zahnlos wirken.

 

Ein paar weitere gelungene Werke arbeiten interessante Ideen facettenreich aus; etwa „In Pursuit of Bling“ von der Nigerianerin Otobong Nkanga. Sie veranschaulicht mit ihrer farbenprächtigen Multimedia-Installation, wo das Mineral Glimmer überall vorkommt: in Kosmetika ebenso wie in Radarsystemen. Oder die Exponate des Briten David Chalmers Alesworth, der in Pakistan wohnt: In traditioneller Miniaturtechnik aquarelliert er Bäume, die als Behausung oder Straßenschild dienen. Noch eine Serie – doch jedes Element überrascht.

 

Fortgesetztes Nachdenken des Kurators

 

Alesworth lässt auch alte Teppiche restaurieren und mit aktuellen Stadtplänen übersticken; ein Bodenbelag als culture clash, der zugleich an die Dahlemer Museumsbestände anknüpft. Wie die Mexikanerin Mariana Castillo Deball: Sie dokumentiert Azteken-Reliefs und Skulpturen der Kollektion mit Zeichnungen, Drucken und Gipsabdrücken.

 

Solch sensibles Eingehen auf das Inventar am Ausstellungsort wird von Kurator Gaitán keineswegs gefördert. Er fordert alle Teilnehmer auf, „frei von Einschränkungen eines übergreifenden Themas oder Leitfadens für sich selbst zu sprechen, während der kuratorische Beitrag im fortgesetzten Nachdenken über die Kontext stiftenden Bedingungen, Orte und Architekturen besteht.“ Kurzum: Beliebigkeit ist Programm, und der Leiter guckt zu.

 

Schlechte oder sehr schlechte Resonanz

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der "7. Berlin-Biennale"  - Ausstellung von Agitprop-Kunst in den KW KunstWerken + der Akademie der Künste, Berlin

 

und hier eine Besprechung der "55. Biennale – Der enzyklopädische Palast"  - Internationale Kunstausstellung in Venedig

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Humboldt Lab Dahlem: Probebühne 1" - Neupräsentation ethnologischer Kunst in den Museen Dahlem, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung “The Last Harvest” - Bilder von Indiens Nationaldichter Rabindranath Tagore in den Museen Dahlem, Berlin.

 

Womit Grübler Gaitán die Kräfteverhältnisse richtig einschätzt: Der eigentliche spiritus rector der Veranstaltung dürfte Klaus Biesenbach sein. Als Gründungsdirektor der Kunst-Werke hob er die Berlin-Biennale 1998 aus der Taufe. Zwar ist Biesenbach seit 2010 Direktor der PS1-Kunsthalle des Museum of Modern Art in New York, doch er wirkt weiter im Hintergrund an der Biennale mit.

 

Mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit verbindet ihn nicht nur, in langen Amtsjahren ermüdet und ergraut zu sein, sondern auch der Unwille, sinnlose Projekte zu beerdigen – seien es eine zentrale Landesbibliothek, Kunsthalle oder dieses Spektakel. Alle bisherigen Berlin-Biennalen hatten ähnliche Resonanz: mäßige, schlechte oder sehr schlechte Presse. Keine ist im Gedächtnis haften geblieben. Es wäre an der Zeit, sie einzustampfen: Die florierende Kunstszene der Hauptstadt würde nichts vermissen.

 

Volksentscheid zur Abschaffung

 

Dazu wird es nicht kommen. Die Bundeskulturstiftung fördert die Biennale mit sage und schreibe 2,5 Millionen Euro; sie hat diesen Betrag bereits bis 2018 für die nächsten beiden Ausgaben fest zugesagt. Im Hochgefühl ihrer Bestandsgarantie wird die Biennale im Juli Gastgeber der ersten „Generalversammlung der Internationalen Biennalen-Vereinigung“ sein – auch die brauchen ihren Weltverband.

 

Noch eine kostspielige Großkonferenz, auf der über Marketingstrategien, Synergieeffekte und Umsatzmaximierung palavert wird. Nichts ist beständiger als nutzlose Institutionen, von deren Staatsknete ein Rudel Kostgänger lebt. Da hilft nur noch ein Machtwort des Souveräns: Die Berlin-Biennale gehört durch Volksentscheid rechtskräftig abgeschafft – wie soeben die überflüssige Landesbibliothek.