Suche nach universaler Kunst-Sprache
Mit seinem Debüt-Film „Rhythmus 21“ wird Richter Kunstgeschichte schreiben. Darin sucht er mit Viktor Eggeling nach einer universalen Sprache für den Zusammenhang von Rhythmus und Form. Bewegungen abstrakter Formen werden auf der Leinwand durchgespielt, ähnlich wie später bei den dreidimensionalen Architektur-Modellen von Malewitsch.
Die Suche nach einer universalen Kunst-Sprache mit sozialem Anspruch, die „das Leben nicht erklären, sondern verändern“ kann, verfolgt Richter ebenso in der konstruktivistischen Zeitschrift „G“: Es geht ihm um Formen, deren Funktionen „den gesamten Weltprozess“ ausmachen sollen.
Alles dreht sich, alles bewegt sich
Das wird auch deutlich in Richters Filmen der späten 1920er Jahre. Sergej Eisensteins revolutionäre Montage-Technik prägt „Everyday“ von 1929: Maschinenteile und Arbeiter in Bewegung werden im Kontrapunkt zu Manschetten-Knöpfen und der Schreibmaschine eines bebrillten Büromenschen gezeigt.
Auch in den ersten Werbefilmen Richters wie „Alles dreht sich, alles bewegt sich“ und „Zweigroschenzauber“ (beide 1929) stehen Bewegungen von Formen im Zentrum: Belebte Gegenstände und menschliche Gesichter werden vom Hintergrund abgelöst, vervielfältigt und über Flächen gerollt. Richter zeigt, wie austauschbar lebende Menschen und bewegte Objekte im Film sind. Bewegung erscheint als reine Verkettung ohne Grund: als Magie des Visuellen.
Riesige Monumentalbilder zum Krieg
Der FiFo-Ausstellung von 1929 ist ein Raum gewidmet, in dem damals vom US-Fotografen Edward Weston ausgewählte Aufnahmen und Ausschnitte der Filme versammelt sind, die Richter zusammengestellt hatte. Beide sind stark vom „Neuen Sehen“ beeinflusst, wie es am Bauhaus gelehrt wurde; Fotos und Filme stehen im Dienst von Design und Reklame.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "1914 – Die Avantgarden im Kampf" in der Bundeskunsthalle, Bonn
und hier eine Besprechung der Ausstellung “Der Sturm – Zentrum der Avantgarde” im Von der Heydt-Museum, Wuppertal
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die Kulisse explodiert" - Werkschau des Avantgarde-Architekten und Theater-Visionärs Friedrich J. Kiesler in der Villa Stuck, München
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Traumanatomie” - Hans Arp + Hugo Ball als Dadaisten im Arp Museum, Remagen.
Keine typische klassische Moderne
Diese Bilder werden neben Werken anderer Künstler präsentiert, gegen die sich Richter nicht wirklich behaupten kann. Seine Serien von Reliefs, die mit Holz und Metall experimentieren, hängen neben den „Drei Zypressen“ von Max Ernst und readymades von Marcel Duchamp, was ihnen nicht bekommt.
Für Kurator Timothy Benson verkörpert Hans Richter die „Idee der Moderne vom gemeinsamen Wirken der Künstler zum Wohle der Gesellschaft“. Doch die Ausstellung weist in eine andere Richtung: Trotz Monumentalbildern und Maschinenmetaphorik ist Richter kein typischer Vertreter der klassischen Moderne.
Eher ein Vorläufer des postindustriellen Medien-Künstlers: Es geht ihm um „Bewegung und Gegenbewegung“ von Formen, die in jedem Medium anders erscheinen. Darin war er ganz klar wegweisend.