Spiros Stathoulopolos

Meteora

Eines der 24 Meteora-Klöster. Foto: Kairos Filmverleih
(Kinostart: 12.6.) Wo Priester auf Felsspitzen wohnen: Manche der griechischen Meteora-Klöster erreicht man nur mit einer Korbwinde. In dieser atemberaubenden Landschaft siedelt Regisseur Stathoulopolos ein schlichtes Kleriker-Liebesdrama an.

Boy meets girl ist seit Adam und Eva die älteste Geschichte der Welt – und so unvergänglich wie heilige Schriften. In dieser Version ist der junge Mann ein Mönch namens Theodorus (Theo Alexander). Sein Augenstern nennt sich Urania (Tamila Koulieva), seitdem sie ihr Nonnen-Gelübde abgelegt hat; sie stammt aus Russland.

 

Info

 

Meteora

 

Regie: Spiros Stathoulopolos,

80 Min., Griechenland/ Deutschland 2012;

mit: Theo Alexander, Tamila Koulieva

 

Weitere Informationen

 

Beide leben in der Kloster-Anlage von Meteora im nordgriechischen Thessalien. Eigentlich dürfen sie keinerlei Notiz voneinander nehmen; die Topographie macht es ihnen schwer genug. Theodorus‘ Wohnsitz und das Frauen-Kloster, in dem Urania lebt, stehen auf senkrecht abfallenden Sandstein-Felsen fast hundert Meter über irdischen Niederungen.

 

Gottesdienst als Kontaktbörse

 

Zu seinem Kloster führt wenigstens eine steile, schmale Treppe. Will Urania sich hinunter begeben, muss eine andere Nonne sie im Korb herablassen. Ihre Isolation könnte kaum strenger sein. Dennoch treffen Theodorus und Urania aufeinander: bei der orthodoxen Messe, die Mönche und Nonnen gemeinsam feiern.


Offizieller Filmtrailer auf Griechisch, Englisch untertitelt


 

Liebesgeflüster per Taschenspiegel

 

Es ist offenbar Liebe auf den ersten Blick; Worte werden wenige gewechselt. Beide verständigen sich meist sprachlos: Wenn Theodorus seine Angebetete kontaktieren will, lenkt er mit einem Taschenspiegel die Sonnenstrahlen in ihre Zelle. Sie antwortet mit ähnlichen Lichtzeichen. Ob und welchen Code beide benutzen, bleibt offen – wie vieles in diesem schweigsamen Film, der ganz auf unmittelbare Anschauung setzt.

 

Dennoch verläuft die Handlung dramatisch. Nach einiger Bedenkzeit verabreden sich beide zu einem Picknick. Es wäre wohl vor 1000 Jahren nicht anders abgelaufen: Theodorus hat zuvor den Hirten eine Ziege schlachten lassen und daraus auf offenem Feuer einen Eintopf gekocht, den er nun seiner Liebsten stolz serviert. Dem Festschmaus folgen zum Dessert andere fleischliche Genüsse – bis Urania brüsk abbricht.

 

Gewissensqualen als Ikonen-Trickfilm

 

Weswegen ihren Verehrer schlimme Skrupel heimsuchen: Er fürchtet Gottes Strafe für die schwere Sünde. Seine Gedanken und Gewissensqualen visualisiert Regisseur Spiros Stathoulopolos mit animierten Sequenzen im Stil mittelalterlicher Ikonen. Diese liebevoll ausgemalten Trickfilm-Szenen mit Motiven christlicher und antiker Mythologie gehören zu den schönsten Momenten des Films.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Ida”  – gelungenes Drama über eine jüdische Nonne in Polen von Pawel Pawlikowski

 

und hier einen Bericht über den Film "Im Namen des ..."  - Liebesdrama eines schwulen Priesters in Polen von Małgorzata Szumowska

 

und hier eine Besprechung des Films "Jenseits der Hügel – După dealuri" - Exorzismus-Krimi im rumänischen Nonnen-Kloster von Cristian Mungiu, dreifacher Preisträger in Cannes 2012

 

und hier einen Beitrag über den Film "Vier Leben" - brillante Milieu-Studie über archaisches Dorfleben in Kalabrien von Michelangelo Frammartino.

 

Wobei es dem Regisseur nie darum geht, die archaische Lebensweise des orthodoxen Klerus zu lobpreisen. Im Gegenteil: Nüchtern wie ein Ethnologe beobachtet er, wie sie weltabgewandt auf Felsspitzen hausen oder zu entlegenen Eremiten-Höhlen pilgern. Mit unverkennbarer Sympathie für ihre altehrwürdigen Traditionen – Rezitationen, eine Flötenmelodie oder schlichte Lieder bedeuten ihnen viel.

 

Kloster-Landschaft als Hauptdarsteller

 

Doch Enge herrscht auch in den Köpfen: Wenn Theodorus und Urania miteinander reden, dann in Gleichnissen und Heiligenlegenden – damit kennen sie sich aus. Warum ihre allen Reizen entwöhnten Gemüter, die auf Seelenheil, Askese und Gehorsam gepolt sind, plötzlich nach irdischer Liebe und Sinnesfreuden verlangen, bleibt das Geheimnis des Films.

 

Dessen eigentlicher Hauptdarsteller ist ohnehin die Kloster-Landschaft, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Diese historische Anlage entstand im 14. Jahrhundert, als Mönche vor osmanischer Verfolgung in die schwer zugängliche Felsregion flohen. Heute zählen 24 Klöster dazu, von denen nur noch sechs bewohnt sind.

 

Klöster scheinen zu schweben

 

Das griechische Wort „metéora“ bedeutet „schwebend“: Wenn die Felsen von Bodennebel umhüllt sind, sieht es tatsächlich so aus, als würden die Klöster in der Luft schweben. Was Regisseur Stathoulopolos in langen Einstellungen aus immer neuen Blickwinkeln auskostet. Seine herrlichen Panorama-Aufnahmen zu allen Tageszeiten lassen die sonnendurchflutete, quasi menschenleere Szenerie beinahe paradiesisch erscheinen.

 

In Anbetracht solcher überirdisch anmutenden Schönheit verzeiht man gern eine etwas schlichte Psycho-Geographie: Oben in den Adlerhorsten herrscht religiöser Zwang, unten in den Tälern liegt das Reich individueller Freiheit. Glaubensfrage: Für welche Sphäre werden sich unsere Turteltäubchen wohl entscheiden, um ihr Nest zu bauen?