Frankfurt am Main

Die Göttliche Komödie: Himmel, Hölle, Fegefeuer aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler

Aïda Muluneh: The 99 Series (Detail), 2013, © Aïda Muluneh. Fotoquelle: MMK, Frankfurt am Main
Mittelalterliche Scholastik trifft schwarzen Kontinent: Das Museum für Moderne Kunst lässt Dantes Weltliteratur-Epos durch Werke von 40 Afrikanern kommentieren. Was überraschend gut funktioniert − aber anders, als vom Ausstellungs-Kurator geplant.

Ein culture clash von epochalen Dimensionen: Die „Göttliche Komödie“ wird durch rund 40 zeitgenössische Künstler aus Afrika interpretiert. Wie bitte? So populär derzeit Grenzüberschreitungen, Konfrontationen und mashups auch sind: Das klingt ähnlich abwegig, als sollten etwa westliche Gegenwartskünstler die indische Bhagavadgita bebildern.

 

Info

 

Die Göttliche Komödie: Himmel, Hölle, Fegefeuer aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler

 

21.03.2014 - 27.07.2014

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr

im Museum für Moderne Kunst, Domstraße 10, Frankfurt am Main

 

Katalog 48 €

 

Weitere Informationen

 

Dante dichtete seine Divina Commedia Anfang des 14. Jahrhunderts. Mir ihr begründete er nicht nur Italienisch als Schriftsprache, sondern schuf auch einen Höhepunkt der Scholastik. Sein Versepos fasste das mittelalterliche Weltbild mit seinen Glaubensgewissheiten und Heilserwartungen formvollendet zusammen. Das hat sich in 700 Jahren radikal geändert. Bei allem Respekt vor diesem unsterblichen Meisterwerk: Was könnten afrikanische Künstler dazu beitragen?

 

Vom Paradies in die Hölle unterm Dach

 

Zumal die Ausstellung die Unterteilung der Commedia in drei Bücher übernimmt, aber die Reihenfolge umdreht: Der Rundgang beginnt im Erdgeschoss durch das „Paradies“ und führt über das „Fegefeuer“ im ersten Stock in die „Hölle“ unterm Dach. Dantes Aufstieg zum Himmelreich wird also auf den Kopf gestellt − pessimistischer geht’s kaum: Seine Botschaft, den Tugendhaften winke die Erlösung, verkehrt sich damit ins Gegenteil.


Impressionen der Ausstellung


 

Wenige Beiträge gehen auf Dantes Werk ein

 

Dennoch funktioniert diese Schau hervorragend. Zum einen trifft der metaphysische Rahmen bei vielen Künstlern einen Nerv: Die Beschäftigung mit Religion, in welcher Form auch immer, ist in Afrika selbstverständlich. Kaum ein Afrikaner würde sich als areligiös oder gar atheistisch bezeichnen. Gelebte Religiosität ist allgegenwärtig; Glauben eine so individuelle wie intensive Angelegenheit.

 

Zweitens scheren sich die meisten Beiträge kaum um die Vorgaben von Kurator Simon Njami, der etliche Teilnehmer seiner Wanderausstellung „Afrika Remix“ (2004/5) abermals rekrutiert. Am ehesten noch um die Schlagworte „Paradies“ und „Hölle“ als Chiffren für extreme Zustände; religiöse Symbolik und Praktiken wie etwa Himmelsleiter oder Prozessionen kommen ebenfalls mehrfach vor. Doch auf Dantes Werk und seine Struktur gehen nur wenige ein.

 

Perspektiven sind afrikanisch, nicht Techniken

 

Zum Glück: So bleibt dem Besucher der bizarre Anblick von Mittelalter-Literatur erspart, die mit afrikanischer Gegenwart illustriert würde. Stattdessen findet er eine normale Gruppenausstellung vor, in der zwar nicht jeder Beitrag überzeugt, die aber klug komponiert ist. Ein derart facettenreicher Überblick über Bild- und Formensprachen, die Künstler afrikanischer Herkunft verwenden, wird hierzulande selten geboten.

 

Von Fotografie über Video bis zur Raum-Installation kommen alle Medien zum Einsatz, die der globale Kunstbetrieb kennt. Kein Wunder: Entweder gibt es ihn ansatzweise auch in den Heimatländern der Künstler, oder sie leben − zumindest zeitweise − im westlichen Ausland. Nicht ihre Techniken sind spezifisch afrikanisch, sondern ihre Perspektiven.

 

Pailletten-Pumps auf Gebetsteppich

 

Nehmen sie Religion in den Blick, dann nie als Privatsache; immer geht es um ihre praktischen und politischen Implikationen. Etwa in der so simplen wie beeindruckenden Installation der Algerierin Zoulikha Bouabdellah: Sie stellt auf Gebetsteppich-Auslegware zwei Dutzend Paar Damenschuhe. Wo sie nicht hingehören; Muslime müssen zum Beten die Schuhe ausziehen. Die Trägerinnen dieser Pailletten-Pumps frönen wohl dem Luxus oder zumindest dem schönen Schein − doch in der Moschee stehen sie brav in Reih und Glied.

 

Ähnlich verführerisch glitzert die Arbeit von Majida Khattari aus Marokko. Silber- und Gold-Masken, in weiße Tüllschleier und luftige Negligés gehüllt, als Gewänder für exotische Schönheiten bei ihrer Performance am Eröffnungsabend. Eine Männerfantasie im Einklang mit dem Koran: Sie stellt die 72 „Houris, Rêve de Martyrs“ („Huris, Traum der Märtyrer“) dar, die jedem Glaubenskämpfer im Paradies versprochen sind. Mehr Motivierung zum Heldentod geht nicht.