Düsseldorf

Kunst und Alchemie – Das Geheimnis der Verwandlung

Johan Moreelse: Der Alchemist, 1630, Öl auf Leinwand, 90,5 x 107,5 cm. Fotoquelle: Museum Kunstpalast, Düsseldorf
Kröten zu Gold destillieren und Schnaps aus Beuys' Fettecke brennen: Alchemisten können alles in anderes verwandeln. Welche Spuren diese Proto-Chemie in der Kunst hinterlassen hat, zeigt eine glänzend vermarktete Ausstellung im Museum Kunstpalast.

Alchemie-Glücksritter ruinieren Familien

 

Nun, viele Künstler in Renaissance und Barock betätigten sich als Alchemisten: um ihre Farben oder Werkstoffe selbst herzustellen, oder aus Neugier und Wissensdrang. Selbst Isaac Newton, Begründer der neuzeitlichen Physik, praktizierte Alchemie. Offenbar war sie so verbreitet, dass in den Niederlanden ein Malerei-Genre entstand, das ihr gewidmet war.

 

Häufig in moralisierender Absicht: Auf Bildern von Pieter Breugel d. Ä. oder Adriaen von Ostade fuhrwerken sorglose Glücksritter am Ofen herum. Derweil tollen ihre Bälger herum, und ihre Ehefrau schüttelt eine leere Geldbörse – Gier nach Gold hat die Familie ruiniert.

 

Surrealisten-Liebe zur Alchemie

 

Daneben hängen stolze Selbstporträts eines David Teniers d. J. oder Luca Giordano als Alchemisten: Erfolgreiche Künstler verwandeln Farbe und Leinwand in klingende Münze. Und Hendrick Goltzius schuf sein größtes Gemälde als „Allegorie der Künste“, die vor alchemistischen Symbolen nur so strotzt.

 

Diese Tradition brach im 18. Jahrhundert ab: Chemie wurde wissenschaftlich und der Alchemist zur dubiosen Figur. Erst im 20. Jahrhundert nahmen die Surrealisten den Faden wieder auf, wie der zweite Ausstellungs-Teil vorführt: Sie reizte das esoterisch-symbolische System der Alchemie als Gegenposition zum verachteten Rationalismus.

 

Gold durch den Stein der Weisen

 

Vordenker André Breton dekretierte, zu „beachten, dass surrealistische und alchemistische Forschungen im Ziel übereinstimmen: Der Stein der Weisen ist das, was der Einbildung des Menschen erlauben sollte, an allen Dingen strahlende Vergeltung zu üben“. Dem hätten die Alchemisten kaum zugestimmt: Ihnen galt der Stein der Weisen als diejenige Substanz, die alles in Gold verwandeln kann.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Halluzinierte Welt - Malerei am Rande der Wirklichkeit"  - im Haus am Lützowplatz, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung Traum-Bilder – Die Wormland-Schenkung – mit Werken des Surrealismus von Max Ernst, René Magritte, Salvador Dalí und anderen in der Pinakothek der Moderne, München

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Geheimgesellschaften – Wissen Wagen Wollen Schweigen"  - in der Schirn, Frankfurt am Main

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung “Von mehr als einer Welt” über die Nachtseite der “Künste der Aufklärung” im Kulturforum, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “Bios – Konzepte des Lebens in der zeitgenössischen Skulptur” im Georg Kolbe Museum, Berlin.

 

Nichtsdestoweniger verwendeten einige Surrealisten eifrig Symbolik der Alchemie; die Schau zeigt schöne Beispiele von Max Ernst, Victor Brauner und der weniger bekannten Malerin Remedios Varo aus Mexiko. Ihr Bestreben, das Fortwirken alchemistischen Gedankenguts bis in die Gegenwart zu präsentieren, franst allerdings etwas aus.

 

Alchemie-Verständnis verwässert

 

Zwar zeigt ein Gemälde-Zyklus von Sigmar Polke Variationen eines Boden-Mosaiks im Dom von Siena mit Hermes Trismegistos, dem legendären Begründer der Alchemie. Und Rebecca Horn betitelte eine Wasserbad-Installation „Die chymische Hochzeit“. Doch die meisten übrigen Arbeiten behandeln Primärstoffe und Umwandlungsprozesse sehr allgemein: Nur weil Anish Kapoor Farbpigmente anhäuft oder Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger wie üblich Harnstoff-Kristalle wachsen lassen, sind sie noch lange nicht alchemistisch inspiriert.

 

Ebenso wenig die Konzeptkunst eines Yves Klein oder James Lee Byars, in hermetischen oder minimalistischen Installationen irgendwie das Materielle zu überwinden. Mit dem geschlossen allegorischen Weltbild der Alchemie hat das wenig zu tun. Indem die Kuratoren bei allen möglichen zeitgenössischen Künstlern alchemistische Neigungen aufspüren wollen, verwässern sie das klare Verständnis von Alchemie, das sie im ersten Teil entwickeln.

 

Alles ist vermarktbar

 

Damit verhalten sie sich paradoxerweise selbst wie Alchemisten, die überall Zeichen, Analogien und Querverbindungen sehen wollen. Dass alles mit allem zusammenhängen soll, passt gut zur Vermarktungsstrategie: Da kann man prima Techno-Musiker, Parfümeure und Schnaps-Brenner hineinrühren.