Ein millionenschwerer newcomer: Hierzulande ist Subodh Gupta noch weitgehend unbekannt. Dabei ist der 1964 geborene Inder nicht nur in seiner Heimat enorm erfolgreich, sondern zählt zu den zehn höchstbezahlten Gegenwarts-Künstlern in ganz Asien. Der Erfolg kam keineswegs über Nacht. Im Jahr 2000 stellte die Galerie „Nature Morte“ in Neu-Delhi Guptas erste große Edelstahl-Skulptur aus – doch sie blieb unverkauft.
Info
Subodh Gupta - Everything is inside
12.09.2014 - 01.02.2015
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
mittwochs bis 20 Uhr
im MMK 1, Museum für Moderne Kunst, Domstr.10, Frankfurt am Main
Katalog 48 €
Immer größer + stärker verdichtet
Das zeigt die bisher größte Gupta-Retrospektive in Europa im Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK). Präsentiert werden mehr als 20, zum Teil raumgreifende Exponate: von ersten kleineren Arbeiten aus der Mitte der 1990er Jahre bis zur Gegenwart. Die Schau führt vor, dass sich die stilistische Entwicklung des Künstlers nicht auf immer größere Ausmaße seiner Werke beschränkt. Deutlich wird auch, dass er sie immer stärker verdichtet.
Statements von Subodh Gupta, Direktorin Susanne Gaensheimer, Kuratorin Anna Goetz + Impressionen der Ausstellung; © MMK
Wolkenkratzer-skyline aus Lunchboxen
Etwa die Installation „Faith Matters“: eine Ansammlung seltsamer Türme aus Edelstahltöpfen; die meisten schlicht verchromt, einige messingfarben und elegant geschwungen. Das Arrangement wirkt wie die abstrahierte Darstellung der Wolkenkratzer-skyline einer Weltmetropole. Alle Türme sind auf einem Tisch mit Sushi-Transportbändern angeordnet und bestehen aus zahlreichen dabbas (Lunchboxen).
Diese Töpfe finden sich in jedem indischen Haushalt, egal welcher Kaste er angehört. Im Film „Lunchbox“ (2013) war zu sehen, wie in indischen Millionenstädten Ehefrauen aufwändige Mittagessen-Menüs kochen und per mehrteiliger Lunchbox ihren Männern am Arbeitsplatz zukommen lassen. Dafür werden dabbas im riesigen Stückzahlen hergestellt und durch ein ausgefeiltes Boten-System ausgeliefert; so verbinden sich im modernen Indien Tradition und Fortschritt. Ohne dabbas liefe in indischen Büros wenig.
Skulptur-Ikonen aus Alltags-Objekten
So führt Gupta auf frappierend simple Weise vor, dass die gesamte Stadt – und mit ihr das ganze Land – im übertragenen Sinne aus unzähligen Lunchboxen aufgebaut ist. Seinen besten Arbeiten demonstrieren eine geradezu geniale Fähigkeit, banale Alltagsgegenstände mit unterschiedlichen Bedeutungen aufzuladen und zu zeitgenössischen Skulptur-Ikonen umzuformen. Deren Einfachheit lässt Freiräume für persönliche Assoziationen des Betrachters.
Ebenfalls bestechend wirkt die Installation „This is not a fountain“, die das Foyer füllt: eine riesige Halde gebrauchter Teller und Töpfe, aus denen Wasserhähne herausragen, die das Ensemble begießen. Diese Küchen-Utensilien veranschaulichen die individuelle Aneignung des Gleichförmigen; die sehr ähnlichen Töpfe sind teils stark verbeult. Sie wirken wie industrielle Pendants zu alten, faltigen Frauen, die ihr Leben lang mit solchen Töpfen gekocht haben, bevor diese ausgemustert wurden.
Geschirr-Totenschädel wie Terminator III
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Indien entdecken!" - facettenreicher Überblick über Gegenwartskunst in der Zitadelle Spandau
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Imran Qureshi - Artist of the Year 2013" - Werkschau des pakistanischen Künstlers in der Deutsche Bank KunstHalle
und hier ein Bericht über die Ausstellung “India Awakens – Under The Banyan Tree” mit zeitgenössischer Kunst im Essl Museum in Klosterneuburg bei Wien.
und hier eine Rezension des Films “Lunchbox” – indisches Metropolen-Melodram von Ritesh Batra mit Irrfan Khan.
Wenig überzeugend hängt dagegen die Skulptur „Mind Shut Down“ über dem Treppenhaus: ein monumentaler Totenschädel aus Geschirrteilen. Er soll laut Ausstellungsführer „die Vergänglichkeit des weltlichen Lebens“ symbolisieren, sieht aber eher wie Guptas Version von Terminator III aus. Vielleicht hat dieser oft ausgestellte Mega-Schädel den Vergleich mit Jeff Koons provoziert: ein effekthascherisch kalkulierter Blickfang wie etliche der auf Hochglanz polierten Kitsch-Skulpturen des US-Großkünstlers.
Kuhdung-Fango für Künstler
Vergleichsweise traditionell wirkt das Bild „Gauri“ von 2000; es zeigt eine typisch kleinwüchsige indische Kuh. Auf das fast realistische Gemälde sind braune Flecken aus getrocknetem Kuhdung aufgetragen. Den im Westen gering geschätzten Ausscheidungen von Rindern wird im Hinduismus eine Körper und Seele reinigende Wirkung zugeschrieben. Die weiß auch der Künstler selbst zu schätzen. In einem Video wäscht sich Gupta eine dicke Schicht Kuhdung-Lehm-Gemisch vom Körper. Allerdings läuft der Film rückwärts, wodurch der Dung „angewaschen“ wird.
Guptas angenehm unprätentiöse Art nimmt schnell für seine Arbeiten ein; er erscheint völlig authentisch. In der Gegenwart seiner Arbeiten fühlt man sich einfach wohl. Dafür findet eine strahlende ältere Besucherin vor der Installation „This is not a fountain“ die Worte: „Ohne die Wasserhähne wäre es nur halb so schön.“