Provokation für Informel-Maler
Die Affichisten wurden einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als die Werke von Hains, Jacques und Dufrêne 1959 auf der ersten Pariser Biennale ausgestellt wurden. Dort wurden ihre Arbeiten gemeinsam mit Bildern der abstrakten Maler des Informel präsentiert – was für letztere eine arge Provokation war.
Die Werke beider Gruppen mochten sich zwar äußerlich ähneln. Doch während die informellen Maler ihre Bilder als radikalen Ausdruck ihrer Individualität ansahen, hatten die Affichisten die revolutionäre Idee einer Kunst, die von allen gemacht werden konnte. Normale Reklameplakate bildeten sichtbar die Grundlage ihrer Kunst.
Abreißen der Haut von Rom
Zusätzlich irritierte, dass zur Hochzeit der Dominanz abstrakter Kunst die Werke der Affichisten vereinzelt figurative Elemente aufwiesen. Immer wieder sind bei ihnen inmitten zunächst rein abstrakt wirkender Farbfelder Bruchstücke von Schriftzügen und von gegenständlichen Bildern zu erkennen.
Ihre Gruppe wurde später durch den Italiener Mimmo Rotella vervollständigt. Dieser begann in den 1950er Jahren in Rom mit eigenen Plakatabrissen. Wie Dufrêne verwendete Rotella zunächst bevorzugt die Rückseiten der Plakate. An ihnen klebten oft noch Spuren des Sandsteins von Mauern der ewigen Stadt. Jene durch „Abreißen ihrer Haut“ wieder freizulegen, war Rotellas ursprünglicher Impuls.
Kleinstformate fürs Wohnzimmer
Hintergrund
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Zu den Affichisten zählte mit Wolf Vostell auch ein Deutscher. Er ging jedoch eigene Wege und war niemals offizielles Mitglied der Gruppe. Um Urheberrechts-Streit mit Hains und Kollegen zu vermeiden, bezeichnete Vostell seine Werke deshalb als dé-coll/age. Er war besonders am Prozess des Abreißens als Akt der Zerstörung interessiert.
Pioniere der street art
Bei Arbeiten wie „Anti-Process II“ fackelte er den Plakatabriss zusätzlich mit Feuer ab. 1958 führte er unter dem Titel „Das Theater ist auf der Straße“ in Paris das erste Happening überhaupt in Form eines öffentlichen Plakatabrisses durch: Vostell bat Passanten, einzelne Schichten einer großen Plakatwand abzureißen und ihre Gedanken zu sichtbar werdenden Motiven mitzuteilen.
Damit zeigt die Ausstellung, dass die heute zu Unrecht weitgehend vergessenen Affichisten wahre Pioniere der street art sind. Mit ihrer so simpel erscheinenden Technik schufen sie sehr eigene und zudem höchst vielfältige Kunstwerke von seltsamer Schönheit, die wiederzuentdecken sich lohnt.