Michael Fassbender

Slow West

Jay (Kodi Smit-McPhee) war sich nicht bewusst, welche Gefahren seine Reise birgt. Foto: © 2015 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 30.7.) Zwei einsame Reiter suchen in der Prärie nach einem Schatz: Diesen klassischen Western-Plot reichert Regisseur John Maclean mit allerlei mehr oder weniger gelungenen Gags an – bis der finale Kugelhagel jede Bedeutung zersiebt.

Ein Grünschnabel aus Schottland in den Weiten von Colorado: Der 16-jährige Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee) hat seine große Liebe verloren. Als der junge Adlige mit der Bauerntochter Rose schäkerte, ging etwas schief; Hals über Kopf musste Rose mit ihrem Vater John in die Neue Welt fliehen. Vor Herzeleid wie von Sinnen ist Jay ihnen über den Atlantik nachgereist; nun reitet er durch die Prärie und sucht sein sweetheart.

 

Info

 

Slow West

 

Regie: John Maclean,

84 Min., Großbritannien/ Neuseeland 2015;

mit: Michael Fassbender, Kodi Smit-McPhee, Ben Mendelsohn

 

Website zum Film

 

Das greenhorn kann kaum seinen Revolver laden; so wird es zum leichten Ziel für Halunken aller Art. Aus höchster Not rettet ihn der Desperado Silas Selleck (Michael Fassbender); gegen Bezahlung will er Jay eskortieren. Allerdings locken Silas vor allem die 2000 Dollar Kopfgeld, die auf John und Rose ausgesetzt sind; der naive Neuankömmling soll ihn unwissentlich zum Ziel bringen.

 

Nicht ohne Gesetzlose + Indianer

 

Zwei verschworene Männer auf Pferden, die unendlichen Weiten des Wilden Westens vor sich und den bestirnten Himmel über sich: Das ist eine klassische Western-Konstellation. In seinem Spielfilm-Debüt reichert sie Regisseur John Maclean mit ebenso klassischen Elementen an: etwa einer Bande Gesetzloser, die hinter den Protagonisten her ist, oder einem unwegsamen „Geisterwald“ voller Indianer, den sie durchqueren müssen.

Offizieller Filmtrailer


 

Neo-Western andernorts mit neuen Aspekten

 

Nun liegt die Blütezeit des klassischen Western mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. John Ford, John Wayne und Sergio Leone sind längst tot; nur der 85-jährige Clint Eastwood dreht weiter fleißig Filme. Jüngste Versuche wie in „The Salvation“ mit Mads Mikkelsen, die traditionelle Formel stilrein wiederzubeleben, waren bislang nicht sonderlich erfolgreich.

 

Heutige Neo-Western interpretieren eher Versatzstücke des Genres neu: in anderen Weltgegenden wie „Den Menschen so fern“ von David Oelhoffen, der in Algerien spielt, oder „Das finstere Tal“ in den Tiroler Alpen von Andreas Prohaska. Oder sie lenken den Blick auf bislang unterbelichtete Aspekte, etwa das jämmerliche Dritte-Welt-Elend der ersten Pionier-Siedler und die Rolle starker Frauen in „The Homesman“ von und mit Tommy Lee Jones.

 

Rothäute als bunt bemalte Vogelscheuchen

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Den Menschen so fern" - packender Sahara-Western mit Viggo Mortensen von David Oelhoffen

 

und hier einen Bericht über den Film  Das finstere Tal – perfekter Western in den Südtiroler Alpen von Andreas Prochaska

 

und hier eine Besprechung des Films "The Homesman" - aufwühlender Frauen-Western von Tommy Lee Jones mit Hillary Swank

 

und hier einen Beitrag über den Film “The Salvation – Spur der Vergeltung” – brillantes Remake klassischer Western mit Mads Mikkelsen von Kristian Levring

 

Auch Regisseur John Maclean bemüht sich, das entbehrungsreiche Dasein in diesen unwirtlichen Breiten anschaulich zu machen. Etwa beim Einkauf im einzigen Handelsposten weit und breit: Wer hier daneben langt, muss für Hunderte von Meilen ohne Proviant auskommen. Oder bei einem Saufgelage mit Fusel; es wird für die Helden gefährlicher als mancher Hinterhalt.

 

Doch ein Historienfilm über die USA Ende des 19. Jahrhunderts genügte Maclean offenbar nicht; so zitiert er allerlei gags und gimmicks herbei, die zwar für Lacher sorgen, aber das Zeitkolorit zerstören. Da werden Pistoleros zu schießwütigen Trotteln und Rothäute zu bunt bemalten Vogelscheuchen, die sich wie Federvieh abschlachten lassen.

 

Alle Sympathieträger erledigt

 

Seinen Tiefpunkt erreicht dieses mash up aus Klischees aller Filmepochen im Finale: einer endlos zerdehnten Ballerei, bei der das Drehbuch jede noch so absurde Wendung und die Kamera möglichst viele artifiziellen Perspektiven auskostet. Nachdem alle Kugeln verschossen und Kulissen abgefackelt wurden, sind sämtliche Sympathieträger erledigt – und damit auch jeder denkbare Sinn dieses Spektakels.

 

Ein Schützenfest für Freunde von durchgestyltem trash; wie beim Regie-Kollegen Quentin Tarantino, der in seinen langatmig ausgewalzten Gewaltorgien auch jede Bedeutung zermalmt.