Film als Spiegel statt Fenster
Damit das möglichst deutlich wird, ist es nötig, am Privatleben einer Familie teilzunehmen. Anstatt aus dem Vergleich etlicher Akteuren abzuleiten, wie typische Erfahrungen indonesischer Überlebender aussehen mögen, lernt man eine Familie mit ihrer eigenen Lebensweise kennen; als ob die Hauptfigur Adi der eigene Bruder und seine Mutter Rohani die eigene Mutter wären.
Ich hoffe, dass dadurch der Film eher zu einem Spiegel wird, in dem man sich selbst sieht, anstatt eines Fensters in ein weit entferntes Land. „The Look of Silence“ hat ein viel ruhigeres Tempo, doch der Film ist eine Art visuelles Gedicht – und ebenso reich, surreal und komplex wie sein Vorgänger, nur nicht so grell aufgetakelt.
Indonesien-Premiere in großem Kino
Wie wurde der Film in Indonesien aufgenommen? Haben sich die Verhältnisse durch die Wahl des neuen Präsidenten Joko Widodo im Oktober 2014 geändert, und wie beurteilen Sie ihn?
„The Look of Silence“ wurde von Anfang von der indonesischen National Human Rights Commission (NHRC) unterstützt und erlebte seine Premiere in einem großen Kino; dagegen musste „The Act of Killing“ anfangs in kleinen Sälen und quasi konspirativ gezeigt werden. Das liegt eher an der Wirkung des ersten Films als am Regierungswechsel.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Look of Silence" von Joshua Oppenheimer
und hier einen Bericht über den Film “The Act of Killing” – Dokumentation von Joshua Oppenheimer über Folgen der Massaker in Indonesien 1965, Europäischer Filmpreis 2013
und hier eine Besprechung des Films "Bonne Nuit Papa" - Doku über Massaker der Roten Khmer in Kambodscha und ihre Nachfahren von Marina Kem
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “ASIA: Looking South” mit zeitgenössischer Kunst aus Indonesien in der Galerie ARNDT, Berlin.
Neuer Präsident Widodo enttäuscht
Allerdings stützt sich der neue Präsident Joko Widodo weiter auf die alten Machthaber: Oligarchen, Generäle und Menschenrechts-Verletzer. Er hat kürzlich einen Mörder als Geheimdienstchef installiert. Sein Vizepräsident ist diejenige Person, die in „The Act of Killing“ vor einer paramilitärischen Gruppierung eine Rede hält und sagt: „Wir brauchen Kriminelle, die Leute zusammenschlagen, um manche Dinge voranzubringen“.
Widodo hat im Wahlkampf versprochen, die Massaker von 1965/6 aufarbeiten zu wollen, aber bisher nichts unternommen. Sein Vorschlag einer „Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission“ entbehrt jeder Glaubwürdigkeit. In Sachen Menschenrechts-Verletzungen hat er bislang enttäuscht, seine Initiativen sind wirkungslos. Dagegen hat er die Erschießung von Kriminellen angeordnet, die angeblich Drogenhändler waren; darunter waren geistig Behinderte und Leute, die nur ecstasy verkauft hatten. Damit brach er internationales Recht.
Ich habe seine Wahlkampagne unterstützt, weil er kein Blut an den Händen hatte. Nun hat er es, und ich hoffe, er wird einsehen, dass er Fehler gemacht hat. Es ist immer noch Zeit, dass er sich der Menschenrechts-Thematik annimmt; aber bislang bin ich von ihm enttäuscht.