Aachen

Le Souffleur – Schürmann trifft Ludwig

Zoe Leonard: (Detail) Pin-Up #1 (Jennifer Miller does Marilyn Monroe), 1995/2001, Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann.Foto: Ludwig Forum, Aachen
Konfrontation der Kollektionen: Das Ludwig Forum kontrastiert den Pop Art-Nachlass seines Namensgebers mit Gegenwartskunst aus der Sammlung Schürmann. Dieser Dialog der Schnittstellen und Widersprüche haucht altbekannten Arbeiten neues Leben ein.

Das „Ludwig Forum für internationale Kunst“, eine 1928 erbaute Regenschirm-Fabrik, ist die Wiege des Kunst-Imperiums von Peter Ludwig (1925-1996). Hier in Aachen wurde 1970 die „Neue Galerie – Sammlung Ludwig“ eingerichtet: als erstes von mittlerweile 14 Museen weltweit, auf die seine Riesen-Kollektion verteilt ist – vor allem Pop Art der 1960er und SozArt der 1980/90er Jahre.

 

Info

 

Le Souffleur - Schürmann trifft Ludwig

 

22.03.2015 - 31.01.2016

täglich außer montags

12 bis 18 Uhr,

donnerstags bis 20 Uhr

im Ludwig Forum für internationale Kunst, Jülicher Str. 97-109, Aachen

 

Weitere Informationen

 

Der kunstsinnige Schokoladen-Fabrikant war wenig amüsiert über eine Arbeit des Konzept-Künstlers Hans Haacke von 1981. Seine Werbeanzeigen-Persiflage „Der Pralinenmeister“ stellte Ludwig als kühl kalkulierenden Investor in „Schogetten“ und Kunst dar – diese sei als „Dauerleihgabe vermögenssteuerfrei“, zitierte ihn Haacke. Nun hängt das satirische Werk im „Ludwig Forum“. Frechheit; wie kommt das da hin?

 

Belebende Ideen einflüstern

 

Ganz einfach: In dieser Ausstellung werden Werke aus der Sammlung Ludwig mit solchen aus der Sammlung Schürmann kontrastiert, kuratiert von Wilhelm Schürmann. Der Fotograf und Galerist hat mit seiner Frau Gaby im Lauf von drei Jahrzehnten ebenfalls eine Kollektion hochkarätiger Gegenwartskunst aufgebaut. Unter dem Titel „Le Souffleur“ flüstert Schürmann nun seine belebenden Ideen in die Sammlung Ludwig hinein – etwa Haackes „Pralinenmeister“.

 

„Le Souffleur“ ist auch der Titel eines der zahlreichen Werke, die das Schürmann-Paar nach Aachen mitgebracht hat. Auf zwei Blättern Schmierpapier von Oliver Foulon zeichnen sich dunkle Flächen ab, die an Rorschach-Kleckse erinnern. Das zweite Blatt scheint annähernd ein Negativ des ersten zu sein, aber nur fast. Die Entsprechung ist nicht perfekt – und doch fesselnd.

 

Marilyn als Mao + bärtige Frau

 

Ähnlich verhält es sich mit der Zusammenstellung der Werke aus beiden Sammlungen. Ludwigs Pop Art-Schwerpunkt wirkt nach wie vor dominant, etwa Andy Warhols Siebdrucke von Marilyn Monroe; diese Figur nehmen diverse Werke aus Schürmanns Besitz auf. In der Fotomontage „Mao Marylin“ (1952/1981) von Philippe Halsman verschmelzen Aufnahmen der Diva und des Großen Vorsitzenden zu einer erstaunlichen Erscheinung. In einem Arrangement (1995/2001) von Zoe Leonard wirft sich die „bärtige Frau“ Jennifer Miller in Monroes laszive Playboy-Pose.

 

Solchen imitierenden und zitierenden Werken steht Ästhetiken der Entfremdung und Aneignung entgegen. In „Meine Marilyn“ (1965) wendet der britische Pop Art-Pionier Richard Hamilton auf eine Anzahl von Monroe-Fotografien ein Verfahren an, das sie selbst benutzt hatte: alle Aufnahmen von ihr zu überprüfen und bei Nichtgefallen durchzukreuzen. Nur ein einziges Bild überlebt diese posthume Zensur, die Hamilton anstelle von Monroe durchführt.

 

Ramos mit Nilpferd + Dalí mit Nashorn

 

Es gibt einige inhaltliche Schnittstellen und gemeinsame Bezüge beider Sammlungen, häufig augenzwinkernd. Eines der bekanntesten Pop Art-Bilder aus der Sammlung Ludwig ist „Hippopotamus“ (1967) von Mel Ramos: Vor knallgrünem Hintergrund reitet ein pin up-girl liegend auf dem Rücken eines Nilpferd. Daneben hängt aus der Sammlung Schürmann die Fotografie „Dalí mit Rhinozeros“ (1950/1981) von Philippe Halsman: Dalí hat die Skulptur des Nashorns nach Dürers berühmtem Kupferstich angefertigt.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Modern Icons" mit Werken aus der Sammlung Ludwig im Ludwig Forum Aachen

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “Ludwig goes Pop” – facettenreicher Überblick von Pop-Art aus der Sammlung Ludwig in Köln + Wien

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Hyper Real – Die Passion des Realen in Malerei und Fotografie" im Museum für Moderne Kunst, Stiftung Ludwig, Wien.

 

Die größeren Exponate stammen meist aus der Sammlung Ludwig. Etwa Nancy Graves‘ Skulpturen lebensgroßer Dromedare oder die täuschend lebensechte „Supermarket Lady“ (1970) von Duane Hanson; heutzutage liefe sie Gefahr, wegen Rauchens aus dem Gebäude geworfen zu werden. Aus der Sammlung Schürmann liegen überall Alltags-Objekte von Michael E. Smith herum, etwa Schraubenzieher, Sägen und Seifenspender. Auch das massigste Objekt von Fiona Barner gehört Schürmann: der 1300 Kilogramm schwere „Nackte Flügel“ eines Tornado Jets.

 

Im ganzen Raum keine Kunst

 

Der Sammler-Kurator ist überzeugt, dass das Leben der Kommentierung bedürfe, nicht aber die Kunst. Doch gerade die ihm favorisierte Kunst steckt voller Kommentare: Kunst, die sich ständig selbst und auf hintergründige Weise auch das Leben kommentiert. In seinem pastiche der comic-Malerei von Roy Lichtenstein lässt LG Williams eine Gestalt in den Raum spähen und dreist behaupten: „I can see the whole room! … And there’s no art in it!“ (2011/13). Zitat auf Zitat und Ironie: Wer da wem souffliert und wer den Einsatz vorgibt, darf gerne unausgesprochen bleiben.