Eddie Redmayne

The Danish Girl

Lilli (Eddie Redmayne) steht Model für Gerda (Alicia Vikander). Foto: Universal Pictures
(Kinostart: 7.1.) Pioniere der Transsexualität: Ab 1913 wechselte ein dänischer Maler, von seiner Ehefrau unterstützt, sein Geschlecht. Ihre Geschichte verfilmt "King's Speech"-Regisseur Tom Hooper als prunkvolle Schmonzette über innige Liebe.

Transsexuell ist in: Durch etliche Filme in den letzten Jahren und TV-Serien wie “Transparent” und “Orange Is the New Black” sind transgender-Protagonisten zumindest in der Unterhaltungs-Industrie deutlich mehr präsent – allerdings oft als exotische Paradiesvögel.

 

Info

 

The Danish Girl

 

Regie: Tom Hooper,

119 Min., UK/ Deutschland/ USA 2015;

mit: Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Amber Heard, Matthias Schoenaerts

 

Website zum Film

 

Das scheint es viel versprechend, wenn sich nun ein Spielfilm der Anfangsjahre der Sexualforschung und -reform in Europa annimmt. Nach dem gleichnamigen Tatsachenroman von David Ebershoff erzählt Regisseur Tom Hooper in “The Danish Girl” die Geschichte des 1882 geborenen dänischen Malers Einar Wegener, der ab 1913 als Lili Elbe auftrat. Er ließ als einer der ersten Menschen sein biologisches Geschlecht 1930/31 durch mehrere Operationen dem selbst empfundenen anpassen. Der dritte Eingriff in Dresden führte zu Komplikationen, an denen Elbe starb.

 

Mit Seidenstrümpfen fängt alles an

 

Im Film lebt Einar als gefeierter Landschaftsmaler in Kopenhagen in wohlsituierten Verhältnissen mit seiner Ehefrau Gerda; sie malt ebenfalls, doch ihre biederen Porträts finden wenig Anklang. Eines Tages fällt eines ihrer Modelle aus, so dass Einars Beine als Ersatz herhalten müssen. Als er Seidenstrümpfe auf seiner Haut spürt, wird er von ihren taktilen Reizen sofort verführt; das erinnert ihn an eine verdrängte Zweit-Identität in seiner Kindheit unter dem Mädchennamen Lili.

Offizieller Filmtrailer


 

Doppel-Identität in Paris ausleben

 

Nach weiteren Travestie-Eskapaden, die Gerda spielerisch arglos mitmacht, wagt sich Lili auf einem Fest in die Öffentlichkeit. Die neuen androgynen Bildnisse bringen Gerda endlich Anerkennung als Künstlerin und eine Einladung nach Paris ein. Dort lassen sie sich nieder, doch ihr Ehemann leidet zusehends an seiner doppelten Identität als Einar und Lili. 1930 entscheidet er sich zur operativen Geschlechtsumwandlung: erst im Berliner Institut für Sexualkunde von Magnus Hirschfeld, dann in der Dresdener Frauenklinik von Kurt Warnekros.

 

Eine spannende Biographie, die Regisseur Tom Hooper als Spezialist für historische Stoffe auf die Leinwand bringt. Sein gefeierter Film “The King’s Speech” über König Georg VI. wurde 2011 mit vier Oscars ausgezeichnet; die Musical-Verfilmung “Les Misérables” (2013) nach dem Klassiker von Victor Hugo prunkte vor allem mit bombastischer Ausstattung. Darin trat auch Eddie Redmayne auf, der 2014 einen Oscar für seine Hauptrolle als Physiker Stephen Hawking im biopic “Die Entdeckung der Unendlichkeit” erhielt.

 

Lesbische Äffären bleiben unerwähnt

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Laurence Anyways” – bewegend romantisches Transsexuellen-Liebesdrama von Xavier Dolan.

 

und hier einen Bericht über den Film “Les Miserables” – opulente Musical-Verfilmung von Tom Hooper mit Eddie Redmayne nach dem Roman von Victor Hugo

 

und hier einen Beitrag über den Film “Die Entdeckung der Unendlichkeit” – Biopic über den Physiker Stephen Hawking von James Marsh mit Eddie Redmayne.

 

Ähnlich preiswürdig ist Redmaynes elektrisierende Interpretation des Geschlechterwechsels in “The Danish Girl”. Das bleibt aber leider das einzige Faszinosum des Films. Alicia Vikander spielt Ehefrau Gerda zwar mit emotionaler Inbrunst, wirkt aber trotz Zigarettenspitze viel zu brav, um als 1920er-Jahre-bohèmienne durchzugehen.

 

Dazu passt, dass die erfolgreiche Art-déco-Künstlerin, die viele erotisch freizügige Frauen-Akte schuf, von Regisseur Hooper hauptsächlich als liebendes Eheweibchen dargestellt wird. Ihre lesbischen Affären bleiben diskret unerwähnt: Mehr als eine sexuelle Devianz ist für eine mainstream-Produktion wohl einfach zu viel.

 

No sex life, please!

 

Überhaupt ist der Umgang des Films mit dem Thema Transsexualität ebenso unreflektiert wie unzeitgemäß; heute wird operative Geschlechtsanpassung keineswegs stets so positiv gesehen, wie der Film glauben machen will. Die durchgängig konventionelle Inszenierung ist dem Thema nicht angemessen; so wird “The Danish Girl” zu einer weiteren Schmonzette um innige Liebe, die sich gegen allerlei Widerstände durchsetzen muss.

 

Insbesondere im letzten Drittel ziehen sich von schwelgender Musik umwehte Schmacht-Szenen arg lang hin. Dabei wird prunkvolle Bürgerlichkeit des frühen 20. Jahrhunderts so prächtig präsentiert, wie körperliche Liebe – bis auf ein paar glatte Hochglanz-Liebesszenen – außen vor bleibt. Vielleicht bringen Szenenbild und Kostüme Tom Hooper die nächsten Oscars ein. Dem Film selbst tut diese alles überlagernde Gediegenheit nicht gut.