Kunst von den Philippinen kommt in Deutschland praktisch nicht vor. Ohnehin werden die Gegenwartskulturen in Südostasien hierzulande wenig beachtet, doch immerhin war Indonesien im Oktober 2015 Gastland der Frankfurter Buchmesse. Und der Film „Cemetery of Splendour“ von Apichatpong Weerasethakul aus Thailand läuft in dieser Woche im Kino an.
Info
WASAK! Filipino Art Today
08.12.2015 - 30.01.2016
täglich außer montags
11 bis 18 Uhr
in der Galerie ARNDT, Potsdamer Str. 96 +
Arndt Art Agency A3, Fasanenstr. 28, Berlin
Begleitband 34,90 €
Erst spanische, dann US-Kolonie
Dieser blinde Fleck verwundert: Die Philippinen stehen aufgrund ihrer Kolonial-Geschichte dem Westen näher als ihre südostasiatischen Nachbarn. 300 Jahre lang wurden sie von Spanien beherrscht; vier von fünf Filipinos sind katholisch. 1898 übernahmen die USA als neue Kolonialmacht die Inselgruppe. Washington entließ sie 1946 in die Unabhängigkeit, behielt aber starken Einfluss. Rund die Hälfte der Filipinos spricht Englisch; etwa jeder zehnte arbeitet im Ausland.
Impressionen der Ausstellung
19 Künstler aus Elf-Millionen-Metropole
Darauf lenkt eine Gruppenausstellung den Blick, mit der die Galerie ARNDT an zwei Standorten in Berlin 19 philippinische Künstler der jüngeren Generation vorstellt. Fast alle sind in den 1970/80er Jahren geboren; sie leben und arbeiten in der Hauptstadt Manila oder der Nachbarstadt Quezon City.
Im Großraum „Metro Manila“ mit elf Millionen Einwohnern gibt es eine dichte und vitale Galerien-Szene: Die meisten Teilnehmer haben dort bereits vielfach ausgestellt. Mit Einzel- und Gruppenausstellungen waren sie auch öfter in Ostasien und Australien präsent, seltener in der übrigen Welt. Nur zwei der 19 Künstler waren zuvor schon in Deutschland zu sehen. Laut Veranstalter wird nun „die erste Bestandsaufnahme zeitgenössischer Kunst dieser Art in Europa“ gezeigt.
In Trümmern alles auf eine Karte setzen
Sie bietet vor allem Malerei in großen Formaten, außerdem Assemblagen und Skulpturen. Den Motiven und Kompositionen ist anzusehen, dass ihre Schöpfer mit dem westlichen Kanon von der Antike bis zu aktuellen Strömungen der Gegenwartskunst vertraut sind. Doch quasi nur als Randbedingungen ihrer eigenen Arbeit, denn die speist sich oft aus anderen Quellen: vorwiegend trivia und trash ostasiatischer Konsumkultur, aber auch Internet-Bilderfluten.
Darauf deutet schon der Titel hin: Das Wort „Wasak“ bedeutet „in Trümmern“, soll aber auch für „alles auf eine Karte setzen“ stehen. Manche Künstler setzen ganz auf tabula rasa, etwa Jigger Cruz: Er fertigt Kopien alter Meister an, die er anschließend unter bunter Acrylfarbe begräbt. Oder Pow Martinez, dessen grob gepinselte comic-Szenarien an bad painting der „Neuen Wilden“ erinnern – samt der drastischen Bildwitze eines Martin Kippenberger, wenn er zwei Maskenmänner, die mit MGs herumfuchteln, als „We Come In Peace“ betitelt.
„Inhaltsreich nur für ein paar Eingeweihte“
Subtiler setzt Manuel Ocampo Schrift im Bild ein. Er lebte in den 1990er Jahren in Los Angeles, kehrte 2003 nach Manila zurück und hat bereits mehrfach im deutschsprachigen Raum ausgestellt. Seine teils abstrakte, teils figurative Farbschlacht ziert ein Schild mit dem Titel: „Comprehensive Only To a Few Initiates“ („Inhaltsreich nur für ein paar Eingeweihte“). Und auf einer nachlässig zugeschmierten Leinwand prangen die Worte „Lack of Originality Is Made Up For By Craftmanship“ („Mangel an Originalität wird durch Kunstfertigkeit ausgeglichen“). Ironischer kann man der Forderung nach „handwerklichem Können“ kaum begegnen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Cemetery of Splendour" - Mystery-Drama über das heutige Thailand von Apichatpong Weerasethakul
und hier einen Beitrag über die Ausstellungen "Roots – Indonesian Contemporary Art" + "Beyond Transisi – Contemporary Indonesian Photography" in Frankfurt am Main
und hier ein Bericht über die Ausstellung “ASIA: Looking South” mit zeitgenössischer Kunst aus Indonesien in der Galerie ARNDT, Berlin.
Cowboy reitet auf Pferd-Skelett
Hier prallen Selbst- und Fremdwahrnehmung aufeinander. Dieser Gegensatz prägt auch die gezeigten Assemblagen; sie zählen zu den interessantesten Beiträgen. Kawayan de Guia lässt in „First Encounter“ einen cowboy auf einem Pferd-Skelett zwischen lauter Filipino-Memorabilia preschen; der Kraftkerl auf „Lucky Pilipiñas“ entstammt einer offiziellen Briefmarke gegen Drogenmissbrauch.
Alwin Reamillo spickt alte Kabeltrommeln mit Kleinteilen aus Haushalt und Handwerk. Solche komplexen Objekte beeindrucken durch die Vielzahl der Bezüge, auch wenn hiesige Betrachter sie kaum entschlüsseln können. Wie das Monumental-Gemälde „Manstar“ von Ronald Ventura: Ein chaotisches Ensemble technoider Elemente wird von einem barocken Prunkrahmen gesäumt – der besteht aus lauter Tierköpfen in schwarzem Kunstharz.
Erzengel aus beschädigter Kirche
Oder das Diptychon „Hex“, ebenfalls von Noberto Roldan: links eine Erzengel-Holzfigur aus dem 17. Jahrhundert, die aus einer vom Taifun beschädigten Kirche geborgen wurde; rechts ein altes Priestergewand, das mit allerlei Symbolen und Gebeten in der Landessprache Tagalok bestickt ist. Prägnanter kann man das Phänomen der Kreolisierung als wechselhafte Vermischung von heimischer und importierter Kultur kaum darstellen.