Jake Gyllenhaal

Demolition – Lieben und Leben

Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) zertrümmert das Designer-Interieur seines Hauses. Foto: © 2016 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 16.6.) Mach kaputt, was dich kaputt macht: Nach dem Unfalltod seiner Frau zerschlägt ein Witwer sein bisheriges Leben buchstäblich zu Kleinholz. Regisseur Jean-Marc Vallée inszeniert eine effektvolle Zerstörungsorgie mit kathartischer Wirkung.

Am Ende geht es um den defekten Kühlschrank: Ein Mann und eine Frau streiten in ihrem fahrenden Auto – offenkundig ist ihre Beziehung nicht sehr harmonisch. Plötzlich kracht ein anderes Fahrzeug seitlich in den Wagen des Paares; die Frau am Steuer ist sofort tot.

 

Info

 

Demolition -
Lieben und Leben

 

Regie: Jean-Marc Vallée,

100 Min., USA 2015;

mit: Jake Gyllenhaal, Naomi Watts, Chris Cooper

 

Website zum Film

 

Mit diesem drastischen Anfang macht Regisseur Jean-Marc Vallée schon in den ersten Minuten von „Demolition“ klar, dass es für seinen Protagonisten hart auf hart kommen wird. Der Frankokanadier ist derzeit einer der vielseitigsten und spannendsten Filmemacher in Hollywood: Bei seinem hervorragenden HIV-Drama „Dallas Buyers Club“ wurde Hauptdarsteller Matthew McConaughey 2014 mit dem Oscar ausgezeichnet. In „Der große Trip – Wild“ (2015) glänzte Reese Whitherspoon als Ex-junkie, der mit einer Fernwanderung sein Leben wieder in den Griff bekommt.

 

Auferstanden aus Ruinen

 

Hier erzählt Regisseur Vallée abermals von Verlust, Zusammenbruch und Wiederaufbau: Ein Leben wird sogar mutwillig eingerissen, damit aus den Trümmern Neues entstehen kann. Diese Geschichte mit Ecken und Kanten bleibt trotz einer Prise Kitsch packend und aufregend bis zum Schluss.

Offizieller Filmtrailer


 

Lebensbeichte in Beschwerdebrief

 

Der Überlebende des Autounfalls heißt Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal). Bislang war der erfolgreiche investment banker vom Leben verwöhnt: viel Geld, großes Haus, schöne Gattin, alles im Griff. Und nun das: Während der frischgebackene Witwer im Krankenhaus auf den Totenschein für seine Frau wartet, versagt der Verkaufsautomat, aus dem Davis Schokolinsen ziehen will. Das ist an diesem Tage eine Störung zuviel.

 

Davis notiert sich die Adresse der Aufsteller-Firma; dagegen lässt er den Kummer seiner Schwiegereltern wie erstarrt über sich ergehen. Ausgerechnet auf der Beerdigung schreibt er einen langen Beschwerdebrief an den Kundendienst. Im Schutze der Anonymität erzählt er ausführlich sein Leben und klagt über seine Unfähigkeit, Trauer über den Verlust zu empfinden.

 

Computer in alle Bauteile zerlegt

 

Davis‘ Brief erreicht Karen Moreno (Naomi Watts), die für die Automaten-Firma als Kundenbetreuerin arbeitet – sie antwortet Davis ebenso persönlich, wie er ihr geschrieben hat. Das ist der Auftakt zu einem Briefwechsel; bald will sie den Absender dieser Briefe finden und spürt Davis auf. Auch Karen könnte es besser gehen: Geldsorgen fesseln sie an ihre unglückliche Beziehung, während der pubertierende Sohn Chris (Judah Lewis) ihr langsam entgleitet. Beide Brieffreunde nähern sich langsam einander an und geben sich Halt. Davis findet einen Draht zum verschlossenen teenager Chris; ihr Kontakt tut allen drei gut.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films „Der große Trip – Wild“ – Fernwanderungs- Film mit großartiger Reese Witherspoon von Jean-Marc Vallée

 

und hier eine Besprechung des Films „Dallas Buyers Club“  – hervorragendes HIV-Drama von Jean-Marc Vallée mit Matthew McConaughey, prämiert mit einem Oscar 2014

 

und hier einen Bericht über den Film "Nightcrawler" – brillantes Paparazzi-Drama von Dan Gilroy mit Jake Gyllenhaal

 

und hier einen Beitrag über den Film „Enemy“ – klaustrophobischer Psycho-Thriller von Denis Villeneuve mit Jake Gyllenhaal.

 

Derweil befremdet der junge Witwer seine Mitmenschen mit unverständlichem Verhalten: Er tanzt auf der Strasse, zieht im Zug die Notbremse, äußert seine Gedanken völlig ungeschminkt und fängt an, Dinge auseinander zu nehmen. Auf der Suche nach dem Wesenskern, der alles zusammenhält, zerlegt er zuerst den kaputten Kühlschrank und später seinen computer – bis der in allen Einzelteilen ordentlich aufgereiht auf dem Boden seines Büros liegt.

 

Hol den Vorschlaghammer!

 

Diese Metapher für verlorene Existenzsicherheit und Weigerung, weiter zu funktionieren wie bisher, könnte anschaulicher kaum sein. In der Demontage seines Alltags liegt soviel Verzweiflung und gleichzeitig lustvolle Leidenschaft, dass man auch zum Vorschlaghammer greifen und mitmachen möchte, wenn Davis bei einem Abbruch-Unternehmen anheuert, um seinen Frust an Holz, Metall und heiler Welt auszulassen.

 

Damit sucht er nach einem Weg aus seiner Gefühlsstarre, um sich wieder spüren und sein Leben bewusst führen zu können. Die Abriss seines teuren Designer-Hauses wird zum Befreiungsschlag, bevor am Nullpunkt der Wiederaufbau beginnen kann – das anzusehen, ist schmerzlich und wohltuend zugleich.

 

Mut zum Unsympathen

 

Diesen Antihelden spielt Jake Gyllenhaal kraftvoll mit erfrischendem Mut, über weite Strecken recht unsympathisch zu erscheinen. Seine Zerstörungsorgie bügelt Regisseur Vallée zum Schluss zwar mit einem happy end etwas glatt; trotzdem beeindruckt „Demolition“ als wirksame Rosskur mit stringenter story, interessanter Inszenierung und kathartischer Wirkung.