Rodrigo González

El Viaje

Die Musiker der Gruppe "Chico Trujillo" in einem Hinterhof. Foto: mindjazz pictures
(Kinostart: 11.8.) Rückkehr zu Klängen seiner Kindheit: Rodrigo González, Bassist bei „Die Ärzte“, bereist sein Geburtsland Chile. Seine Begegnungen mit engagierten Liedermachern werden zum Gesellschafts-Porträt, das über eine Musik-Doku weit hinausreicht.

Fans des deutschen fun punk-Trios „Die Ärzte“ ist Rodrigo González wohlbekannt: Er spielt seit 1993 als Bassist bei der „besten Band der Welt“, wie sich „Die Ärzte“ selbst nennen. Daneben verfolgt Gonzalez auch andere, weniger populäre Musikprojekte: Seine Band „¡Más Shake!“ interpretiert südamerikanische beat songs aus den 1960er Jahren neu.

 

Info

 

El Viaje

 

Regie: Nahuel Lopez,

93 Min., Chile/ Deutschland 2016;

mit: Rodrigo Gonzalez, Alonso Nuñez, Camila Moreno, Eduardo Yañez

 

Weitere Informationen

 

Beim Dokumentarfilm „El viaje“ („Die Reise“) führt sein Kindheitsfreund Nahuel Lopez Regie. Beide stammen aus Chile, doch ihre Eltern mussten das Land nach dem Militärputsch von 1973 verlassen; beide wuchsen in Hamburg auf. Im Exil pflegte González‘ Vater, der ebenfalls Musiker ist, weiter traditionelle Klänge seiner Heimat. Nun kehrt sein mittlerweile 48-jähriger Sohn zu diesen musikalischen Wurzeln zurück.

 

Kein Chilene kennt „Die Ärzte“

 

In Chile kennt „Die Ärzte“ natürlich kein Mensch. Dort muss man schon sehr erfolgreich sein, um als Musiker sein Auskommen zu bestreiten: So fragt jemand González, ob er denn von seiner Musik überhaupt leben könne. Doch durch seine Arbeit öffnen sich für den Rückkehrer viele Türen; ein Gesprächspartner empfiehlt den nächsten.

Offizieller Filmtrailer


 

In der Tradition der nueva canción

 

González lässt sich treiben und begegnet dabei ganz unterschiedlichen Typen; auf ihre Art sind sie alle personajes, also mehr oder weniger eigentümliche Charaktere. Dabei hält sich González selbst angenehm zurück. Im Vordergrund stehen seine Gesprächspartner und ihre Musik, die stets etwas über Chile erzählt; die Aufnahmen sind sorgfältig, aber schnörkellos gedreht.

 

In den 1950/60er Jahren entstand in Chile wie in anderen Ländern Lateinamerikas die so genannte nueva canción („neues Lied“): Volkstümliche Elemente wurden oft mit politischen Texten kombiniert. Chile brachte besonders viele Liedermacher hervor, die in dieser Tradition stehen und deren songs auf dem ganzen Subkontinent populär sind; zu den bekanntesten zählen Violeta Parra und Víctor Jara.

 

Protest songs bleiben aktuell

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Argentina" – facettenreiche Doku der Tanz- + Musik-Stile in Argentinien von Carlos Saura

 

und hier eine Besprechung des Films "Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück" über die deutsche Beteiligung am Pinochet-Putsch 1973 von Florian Gallenberger mit Daniel Brühl

 

und hier einen Beitrag über den Film ¡No! – packendes Polit-Drama über die Absetzung von Diktator Pinochet in Chile von Pablo Larrain mit Gael García Bernal

 

und hier einen Bericht über den Film “Journey to Jah” – Doku über weiße Reggae-Stars auf Jamaika von Noël Dernesch + Moritz Springer.

 

González trifft sich sowohl mit ihren musikalischen Erben als auch mit einigen der alten Recken; manche sind in Vergessenheit geraten, andere treten weiterhin auf. Mit jedem nimmt Gonzalez ein Lied auf; daraus soll ein Album entstehen.

 

Alle Interpreten verbinden mit ihren Stücken einen politischen Anspruch; im Gegensatz zu Europa gelten protest songs in Lateinamerika immer noch als aktuell. Dort sind die ökonomischen und sozialen Verwerfungen wesentlich ausgeprägter als hierzulande – und politisch engagierte Musiker mussten einen hohen Preis für das Vertreten linker Positionen zahlen.

 

Gegen Probleme, für Mapuche-Rechte

 

So wurde Víctor Jara am 16. September 1973, fünf Tage nach dem Militärputsch gegen den Präsidenten Salvador Allende, mit 44 Schüssen im Stadion der Hauptstadt Santiago de Chile ermordet. In diesem Stadion wurden damals Tausende von Zivilisten kaserniert, die Allendes Politik unterstützt hatten – oder dessen nur verdächtigt wurden. Darunter der Musiker Eduardo Yañez, der überlebte: Mit González kehrt er an den Ort seiner Qualen zurück – ein sehr eindrücklicher Moment.

 

Gegenwärtig thematisiert etwa der in Patagonien lebende singer-songwriter Alonso Núñez soziale Probleme. Dagegen engagiert sich die Band „Chico Trujillo“ für die Rechte der Mapuche, der chilenischen Ureinwohner. Andere Musiker der jüngeren Generation knüpfen bewusst an die songs ihrer Vorgänger an. Durch ihren persönlichen Zugang gelingt González und seinem Regisseur Lopez ein sehr authentisches Porträt des zeitgenössischen Chile: Es geht von der dortigen Musik aus, reicht aber weit darüber hinaus.