Pieter van Huystee

Hieronymus Bosch – Schöpfer der Teufel

Hieronymus Bosch: Der Garten der Lüste (um 1510; Detail), heute im Prado, Madrid. Foto: mindjazz pictures filmverleih
(Kinostart: 15.9.) Fachchinesisch vor Infrarot-Aufnahmen: Ein Expertenteam begutachtet weltweit Bilder, die man dem Künstler zuschreibt – Regisseur Pieter van Huystee dokumentiert heutigen Ausstellungs-Betrieb, nicht das Schaffen des Fabelwesen-Malers.

Hieronymus Bosch (ca. 1450-1516) ist einer der berühmtesten und zugleich rätselhaftesten Maler der Kunstgeschichte. Fast jeder kennt seine fantastischen Mischwesen aus Mensch und Tier, die in surrealen Szenerien ihr Unwesen treiben. Sie wurden unzählige Male kopiert und wirkten wegweisend; ohne seine Vorbilder sähen moderne Horrorfilme anders aus. Doch wie und warum Bosch solche Fabelgestalten erfand, bleibt unklar: Nach diesem Dokumentarfilm ist man keinen Deut schlauer.

 

Info

 

Hieronymus Bosch - Schöpfer der Teufel

 

Regie: Pieter van Huystee,

89 Min., Niederlande 2015;

mit: Matthijs Ilsink, Jos Koldeweij, Luuk Hoogstede

 

Weitere Informationen

 

Der Titel suggeriert, es ginge um Leben und Werk des Künstlers aus dem niederländischen s‘-Hertogenbosch, dessen 500. Todestag in diesem Jahr mit zwei großen Ausstellungen in seiner Geburtsstadt und Madrid gefeiert wird. Das trügt: Entweder setzt Regisseur Pieter van Huystee Boschs vita und Schaffen als bekannt voraus, oder er interessiert sich nicht sonderlich dafür.

 

Alle Bosch-Gemälde überprüfen

 

Stattdessen begleitet er ab 2010 das „Bosch Research and Conservation Project“ (BRCP) bei der Arbeit. Dessen Mitglieder soll alle Gemälde prüfen, die dem Künstler zugeschrieben werden, Eigenhändiges von Werkstatt- oder Nachahmer-Arbeiten unterscheiden und Leihgaben für die große Jubiläums-Schau in seiner Heimatstadt an Land ziehen – sie besitzt kein Werk von Bosch. Also einerseits kunsthistorische Grundlagenforschung, andererseits Ausstellungsbetrieb.

Offizieller Filmtrailer


 

Neuzuschreibung als Sechser im Lotto

 

Das team um Koordinator Matthijs Ilsink reist durch die halbe Welt, um Kollegen zu treffen. Im Madrider Prado werden die Niederländer eher distanziert empfangen – kein Wunder: Das Haus plant selbst eine umfassende Bosch-Retrospektive im Jubiläumsjahr und will sich nicht die Schau stehlen lassen. Zudem besitzt der Prado mehr Bilder von „El Bosco“, wie er auf Spanisch heißt, als jedes andere Museum auf der Welt. Sollten fremde Experten infrage stellen, dass es sich um Originale handelt, kann das sein renommee nur schmälern.

 

Anders in Venedig: Die „Galleria dell‘ Academia“ ist durchaus bereit, ihre Bosch-Werke auszuleihen – wenn zuvor die Niederlande ihre Restaurierung auf eigene Kosten übernehmen. Und der Direktor des“Nelson-Atkins Museum of Art“ in Kansas City ist überglücklich, ein kleines Gemälde nach Europa schicken zu dürfen. Sein Schöpfer war bislang unbekannt; erst nach dem Tipp eines Kunstfreundes wird es von den BRCP-Leuten als echter Bosch identifiziert. Das ist für dieses US-Provinzmuseum wie ein Sechser im Lotto.

 

Kommentarlose Kamerafahrten

 

So eilt der Film von Station zu Station: Offenbar hatte Regisseur von Huystee eine Art Kunst-Krimi oder -Schnitzeljagd im Sinn. Dafür sind aber die Szenen zu spröde und die Dramaturgie zu fahrig. Ob in Spanien, Italien, den Niederlanden oder USA: Überall begutachten Anzugträger andächtig Bildtafeln. Oder sie beugen sich über Monitore mit Infrarot-Aufnahmen, um weitschweifig Details von Boschs Malweise zu diskutieren.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Verkehrte Welt – Das Jahrhundert von Hieronymus Bosch"  mit Werken von Schülern + Nachahmern im Bucerius Kunstforum, Hamburg

 

und hier eine Besprechung des Films "Belladonna of Sadness" – einzigartig psychedelischer Animationsfilm aus Japan von Eiichi Yamamoto mit Motiven von Hieronymus Bosch

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Drunter und Drüber – Altdorfer, Cranach und Dürer auf der Spur" über Gemälde-Analysen mit Infrarot-Reflektographie in der Alten Pinakothek, München

 

Worin ihre Eigenart besteht und was daraus folgt, erfährt der Zuschauer kaum: Meist gleitet die Kamera kommentarlos über Bildflächen. Es dauert eine Dreiviertelstunde, bis erstmals eine von ihnen anschaulich erläutert wird. Nur bei zwei oder drei Arbeiten geht der Film näher auf Komposition und Motive ein; den Kanon von 25 Gemälden und 20 Zeichnungen, die Bosch zugeordnet werden, kennen Fachleute ja in- und auswendig.

 

Grafik-Investition gefällt nicht

 

Umso mehr Zeit bleibt für den Verhandlungs-poker, wer wem Zugang zu welchem Werk gewährt und welche Bedingungen Leihgeber stellen. Mit Animositäten, Hinhaltetaktik und heimlichen Verbündeten wie in jedem business as usual; bloß legen Museumsleute gern ihre Stirn in Falten und suchen nach bedeutungsschwangeren Worten. Dabei geht es letztlich ums Finanzielle: Ein Sammler, der eine Zeichnung zur Begutachtung vorlegt, gibt offen zu, dass er sie nur als Investition gekauft hat – sie gefällt ihm gar nicht.

 

Apropos Geld: Der Film wurde bereits als einstündige Kurzfassung bei ARTE ausgestrahlt. Danach war er drei Monate lang kostenlos in der Sender-Mediathek abrufbar. Wenige Tage nach Ablauf dieser Frist kommt er in einer um 30 Minuten längeren Version ins Kino.

 

Spekuliert der Verleih auf Bosch-Fans, die seine höllischen Fantasien auf großer Leinwand bestaunen wollen? Sie dürften enttäuscht werden: Diese Doku taugt allenfalls als ziemlich unstrukturierter Einblick in den heutigen Kunstbetrieb. Zum „Schöpfer der Teufel“ und seinem epochalen Werk hat sie wenig zu sagen.