Trier

Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann

Wassilij Sergejewitsch Smirnow: Neros Tod (Detail), 1888, © Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg. Fotoquelle: Stadtmuseum Simeonstift
Das Allround-Showtalent auf dem römischen Kaiserthron: Eine glänzend inszenierte Ausstellungs-Trilogie in drei Trierer Museen reinigt Nero vom Stigma des blutgierigen Ungeheuers – und rehabilitiert ihn als Erfinder der Spektakel-Gesellschaft.

Blüten + Düfte aus der Decke

 

Ein verkleinerter Nachbau der Statue ist in der Ausstellung zu bewundern – im wohl schönsten Saal des Rundgangs: Farbige Projektionen und Vogelgezwitscher vom Band veranschaulichen, wie der achteckige Kuppelsaal der domus aurea einst gewirkt haben mag. In die Decke waren Elfenbeinplatten eingelassen, durch die Blüten gestreut und Düfte versprüht wurden. Kostbares Glas und feinstes Silbergeschirr bezeugen den verschwenderischen Luxus der kaiserlichen Hofhaltung.

 

Wobei solcher Aufwand in Roms superreicher Elite durchaus üblich war. Sie irritierte allenfalls, dass Nero das Stadtzentrum in eine weitläufige Parklandschaft wie für eine villa in der Provinz umwandeln wollte. Vergeblich: Die domus aurea blieb unvollendet und wurde später zum größten Teil von anderen Herrschern überbaut.

 

16-monatige Tournee durch Griechenland

 

Neros eigentliche Leidenschaft waren jedoch die Künste: Seit Kindertagen übte er sich als Maler, Bildhauer, Dichter, Sänger, Schauspieler und Wagenlenker. Gewisse Fertigkeiten gehörten zur Ausbildung jedes römischen Adligen, doch als einziger Kaiser ließ er sich systematisch in allen Disziplinen schulen. Bis zur Bühnenreife: Im Jahr 64 trat er in Neapel erstmals vor Publikum auf; ein Jahr später gab er sein Debüt in der Hauptstadt.

 

Im Folgejahr reiste er mit einem Tross von mehreren 1000 Personen nach Griechenland. Dort besuchte er sämtliche Städte, in denen sportliche oder musische Wettkämpfe stattfanden; teils wurden sie ihm zuliebe zeitlich verlegt. Nero gewann in allen Disziplinen und kehrte nach 16 Monaten mit 1808 (!) Siegerkränzen zurück – bei seinem Einzug nach Rom 67 n. Chr. ließ er sich mit einem quasi-militärischen Triumphzug feiern.

 

Wie ein antiker Berlusconi

 

Damit hatte er den Bogen überspannt. Morden in der eigenen Familie – hässlich, aber leider unvermeidlich. Sein wahnwitziges Bauprogramm – ruinös, doch es brachte viele Leute in Lohn und Brot. Aber dass er sich wie ein Sklave oder Plebejer auf der Bühne produzierte und es wagte, dafür das altehrwürdige Triumphzug-Ritual einzuspannen – das ging zu weit. Senatoren und hohe Beamtenschaft rückten von ihm ab.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung Pompeji – Leben auf dem Vulkan - antike Funde aus der Ruinenstadt in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München

 

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und hier einen Bericht über die Ausstellung “Antike Welten” mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin

 

und hier einen Beitrag über den Film "Pompeii" - 3D-Großproduktion über den Untergang der römischen Stadt von Paul W.S. Anderson.

 

Als mehrere Heerführer rebellierten, erklärte ihn der Senat für vogelfrei; Nero starb auf dem Landgut eines Günstlings. Im Machtkampf um die Nachfolge setzte sich Vespasian als Kaiser durch; sein Vorgänger unterlag der damnatio memoriae. Was nicht von Dauer war: graffiti in den ausgegrabenen Ruinen von Pompeji und Gedenk-Medaillen aus dem 4. Jahrhundert bezeugen, dass Nero noch lange beliebt blieb. Das einfache Volk erinnerte sich gern an prächtige Spektakel, die er ihm geboten hatte – wie ein antiker Berlusconi.

 

Von Kirche als Antichrist dämonisiert

 

Nur Christen hassten ihn: Nero hatte sie für den Stadtbrand im Jahr 64 verantwortlich gemacht. Die damals noch obskure Sekte taugte gut als Sündenbock; vermutlich wurden weniger als 1000 ihrer Anhänger hingerichtet. Doch nach ihrem Aufstieg zur Reichs- und Weltreligion schlug sie zurück: Der Kaiser war aus ihrer Sicht der Prototyp eines Antichristen. Wie er in kirchlichen Schriften und Sakralkunst dämonisiert wurde, zeigt das Museum am Dom etwas überprägnant: Es nimmt „Nero und die Christen“ zum Anlass, 2000 Jahre Leidensgeschichte von Märtyrern nachzuzeichnen.

 

So paradox es klingen mag: Gerade diese Verteufelung sicherte sein Vermächtnis. Während die meisten römischen Kaiser nur noch Althistorikern geläufig sind, kennt jedes Kind Nero. Er gibt den idealen Buhmann ab, wenn Künstler einen Unhold herbeizitieren wollen. Diese bis heute reichende Tradition führt die Schau „Lust und Verbrechen – der Mythos Nero in der Kunst“ im Stadtmuseum Simeonstift anhand schön schrecklicher Beispiele vor.

 

Dagegen ist von seinem eigenen Kunstschaffen nichts überliefert, obwohl es ihm so sehr am Herzen lag. „Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!“, sollen Neros letzte Worte gewesen sein.