Völklingen

Buddha – 232 Meisterwerke buddhistischer Kunst + Buddhismus – Steve McCurry: Fotografien 1985-2013

Buddha Amitāyus aus Nepal, Frühe Malla-Periode, 14. Jh., Vergoldetes Kupfer mit Steinbesatz, 39 cm (Detail). Fotoquelle: Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Begegnung mit dem Erleuchteten: In einer fantastischen Ausstellung zeigt die Völklinger Hütte absolute Spitzenleistungen buddhistischer Kunst – auf diese Schätze in Privatbesitz wäre jedes Museum neidisch. Dazu sind Buddhismus-Fotos von Steve McCurry zu sehen.

Mehr culture clash geht nicht: Die Völklinger Hütte ist das einzige Eisenwerk aus dem späten 19. Jahrhundert, das komplett erhalten ist – und daher seit 1994 Unesco-Weltkulturerbe. Das Industrie-Denkmal auf mehr als sieben Hektar Fläche ist ein Kosmos für sich: ein unüberschaubares Konglomerat aus Hallen, Schloten und still gelegten Maschinen. Alles kündet von Erdenschwerem: von Kohle, Koks, Erz und Stahl.

 

Info

 

Buddha - Sammler öffnen ihre Schatz-
kammern: 232 Meister-
werke buddhistischer Kunst aus 2.000 Jahren

 

25.06.2016 - 19.02.2017;
Katalog 29,90€

 

Weitere Informationen

 

Buddhismus - Steve McCurry: Fotografien 1985-2013

 

01.05.2016 - 05.03.2017;
Katalog 14,80€

 

Weitere Informationen

 

täglich 10 bis 18 Uhr

in der Völklinger Hütte, Rathausstraße 75-79, Völklingen

 

Ausgerechnet in dieser Kathedrale harter, materieller Arbeit wird buddhistische Kunst präsentiert: Zeugnisse der wohl spirituellsten aller Weltreligionen, die Entsagung und Vergeistigung lehrt. Das erscheint völlig widersprüchlich – und überzeugt sofort, sobald man die düstere Gebläsehalle betritt, in der früher enorme Gasmaschinen den nötigen Wind für die Hochöfen machten. Zwischen den riesigen dunklen Ungetümen schimmern die Werke aus Gold, Bronze oder Bergkristall – von Punktstrahlern beleuchtet – wie Fabelwesen oder Botschafter aus einer anderen Sphäre.

 

Selten oder nie öffentlich gezeigt

 

Allein schon dieses Arrangement ist überwältigend; keine andere der Ausstellungen in dieser Halle seit 2002 dürfte so effektvoll inszeniert worden sein wie diese. Das Erstaunen wird noch größer, betrachtet man die 232 Exponate näher. Der Titel der Schau übertreibt nicht: Es handelt sich ausnahmslos um Meisterwerke – und zugleich um verborgene Schätze: Alle stammen aus Privatsammlungen. Sie wurden bislang nur selten öffentlich gezeigt; manche noch nie.

Impressionen der Ausstellung: "Buddha - 232 Meisterwerke buddhistischer Kunst"


 

Zeitreise durch Spitzen-Kunst von halb Asien

 

Etliche Stücke waren einst im Besitz des Antiquitäten-Händlers Alfred Speelman in London; er veräußerte sie an Privatleute. Andere gehören zur Kollektion Lindner in München, doch die meisten Leihgeber bleiben ungenannt. Gute Kontakte zu wichtigen Asiatica-Sammlern, die sich untereinander kennen, ermöglichten diese einmalige Ausstellung: Alle Ethnologischen Museen in Deutschland gemeinsam könnten kaum eine so hochkarätige Auswahl zusammentragen. Viele Objekte sind weltweit einzigartig oder die besten ihrer Art.

 

Dadurch wird der Rundgang zu einer Zeitreise durch künstlerische Spitzenleistungen eines halben Erdteils im Lauf von 2000 Jahren. Der Buddhismus entstand etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. in Nordindien: Dort lebte und lehrte sein Stifter Siddharta Gautama. Nach seinem Tod wurde Buddha („der Erwachte“) von seinen Anhängern zunächst nie als Person dargestellt, sondern nur durch Symbole: etwa den Bodhi-Baum, unter dem er Erleuchtung fand, das Rad seiner Lehre oder seinen Fußabdruck.

 

Gandhāra-Buddhas wie rock stars der 1970er Jahre

 

Erst im 1. Jahrhundert n. Chr. entstanden im indischen Kuschana-Reich die ersten Buddha-Porträts: Sie waren in Mathurā in Zentral-Nordindien streng stilisiert. Dagegen stand die Region Gandhāra, das heutige Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan, kulturell unter hellenistischem Einfluss: Hier wurde Buddha in Gewändern mit aufwändigem Faltenwurf wie bei einer römischen Toga, welligem Haar mit Knoten und Schnurrbart dargestellt. Gandhāra-Buddhas sähen aus wie rock stars aus den 1970er Jahren, scherzen Spötter.

 

Bald bildete sich ein rigider Kanon heraus: Körperhaltungen und Gesten der Hände, Kleidung, Schmuck-accessoires und Attribute – alles wurde genau festgelegt. Jedes Element einer Buddha-Darstellung hat eine präzise definierte symbolische Bedeutung. Mit solchen Bildnissen verbreitete sich seine Lehre allmählich über den Kontinent. Dabei wurde sie mit lokalen Traditionen und Glaubensvorstellungen verbunden: So entstanden zahlreiche Spielarten des Buddhismus – die wiederum in unterschiedlichen Kunst-Stilen Ausdruck fanden.

Feature mit Steve McCurry über seine Fotoserie "The Tibetans"; © The Photography Channel


 

Indische Formensprache prägt Peripherie

 

Die Ausstellung gruppiert sie zu vier Großregionen: Indien, Ostasien mit China und Japan, Südostasien von Burma bis Indonesien sowie der Himalaja mit Nepal und Tibet. In Indien entstand während der Gupta- (4. bis 8. Jahrhundert) und Pala-Periode (8. bis 12. Jahrhundert) die klassische Formensprache der buddhistischen Kunst: Sie strahlte in alle Kulturkreise vom Himalaja bis nach Japan und zum indonesischen Insel-Archipel aus. An der Peripherie wirkte sie, etwa in der kambodschanischen Khmer-Kunst, noch jahrhundertelang fort – während der Buddhismus an seinem Entstehungsort Indien schon längst zurückgedrängt worden war.

 

Diese Wanderung der Formen und die Entstehung regionaler Varianten lassen sich in der Ausstellung anschaulich nachverfolgen. Etwa an der überall bekannten Figur des Bodhisattva Avalokiteshvara: Er verkörpert universelles Mitgefühl – in China heißt er Guanyin. Solche Bronze-Plastiken mit geschmeidig gelängten Gliedern sind meist vergoldet und üppig mit Edelsteinen besetzt. In Tibet wird die Tara, die aus einer Träne des Bodhisattva entstand, in 21 Varianten verehrt: Diese Göttin wird sehr sinnlich mit nackten Brüsten dargestellt.

 

Holzfigur aus Nepal überstand 1200 Jahre

 

Nach buddhistischer Auffassung nehmen viele universelle Kräfte und Prinzipien physische Gestalt an: etwa in den so genannten Yab-Yum-Skulpturen. Sie zeigen die Vereinigung vielarmiger männlicher und weiblicher Wesen – stehen aber nicht für den sexuellen Geschlechtsakt, sondern für die mystische Aufhebung von Gegensätzen. Solche Symbolik wird im hervorragenden Katalog detailliert erläutert und für alle 232 Exponate. entschlüsselt.

 

Man kann diese komplexe Gedankenwelt aber auch außer Acht lassen und sich einfach für die sagenhafte Schönheit der Werke begeistern: Ihre fast immer namenlosen Schöpfer waren handwerklich den Künsten im Okzident um Jahrhunderte voraus. Wobei ihre großartige Qualität weniger auf kostbaren Materialien als vielmehr auf der Raffinesse ihrer Ausarbeitung beruht. So bei einer elegant geschwungenen Holzskulptur des Avalokiteshvara aus Nepal: Sie entstand im 8. Jahrhundert und ist eine der ältesten hölzernen Figuren in ganz Asien. Dass sie trotz widriger Klimabedingungen fast 1200 Jahre überstanden hat, grenzt an ein Wunder.

 

Zwölfjährige Afghanin machte McCurry berühmt

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Steve McCurry – Im Fluss der Zeit" mit "Fotografien aus Asien 1980 – 2011" im Kunstmuseum Wolfsburg

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhāra"  mit lebendigen figürlichen Buddha-Darstellungen der antiken graeco-buddhistischen Kultur in Zentralasien im Museum DKM, Duisburg

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Indiens Tibet – Tibets Indien" über "Das kulturelle Vermächtnis des Westhimalaya" mit herausragender buddhistischer Kunst im Linden-Museum, Stuttgart.

 

All das ist beinahe zuviel des Guten: Dieser grandiosen Ausstellung lässt sich allenfalls vorhalten, dass sie ihre Besucher mit Spitzenwerken quasi überschüttet. Ein Tag reicht kaum aus, um sie sämtlich aufmerksam zu betrachten und ihre Bedeutung zu würdigen. Zumal die Völklinger Hütte zusätzlich mit einer ergänzenden Foto-Schau in der Möllerhalle lockt, in der früher Rohstoffe gelagert wurden: Sie versammelt 40 großformatige Aufnahmen, die Steve McCurry zwischen 1985 und 2013 in Asien angefertigt hat.

 

McCurry wurde 1984 durch sein Porträt der damals zwölfjährigen Afghanin Sharbat Gula berühmt: Ihr Antlitz mit skeptischem Blick aus leuchtend grünen Augen wurde zum Sinnbild für das Leid der Zivilbevölkerung in Afghanistan. Seither hat der Fotograf Zentral- und Ostasien oft bereist. Seine Aufnahmen zeigen, wie stark buddhistische Praktiken den Alltag in vielen Ländern prägen – von bunten Gebetsfahnen, die in Tibets rauer Bergwelt im Wind flattern, bis zu Buddha-Schreinen im hektischen Gewühl moderner Metropolen wie Bangkok.

 

Farbräusche wecken Emotionen

 

Seine Bilder komponiert McCurry meist in leuchtenden Farben – zu malerisch, monieren manche Kritiker, die ihm einen Hang zum Edelkitsch nachsagen. Doch diese Vorliebe teilen die meisten asiatischen Kulturen: Kräftige Farben sollen beim Betrachter starke Empfindungen wecken – dafür liefert die fantastische Buddha-Schau den denkbar besten Beweis.