Alain Resnais

La Guerre est finie – Der Krieg ist vorbei

Diego Mora (Yves Montand) und Marianne (Ingrid Thulin). Fotoquelle: Filmmuseum Düsseldorf
Auf Kriegsfuß mit der Realität: "La Guerre est finie" erzählt von einem spanischen Revolutionär, der in Frankreich gegen das Franco-Regime kämpft. Selten wurde Zeitgeschichte so gekonnt mit Persönlichem verschaltet. Das Filmmuseum Düsseldorf zeigt den Film am 28. März.

Mit den Filmen „Hiroshima, mon amour“ und „Letztes Jahr in Marienbad“ hat sich der Regisseur Alain Resnais auf eine Entdeckungsreise durch das Unbewusste begeben. Sein vierter Spielfilm „Der Krieg ist vorbei“  ist hingegen ein rasanter Thriller, der in seiner scheinbaren Einfachheit bei genauerem Hinsehen gesellschaftliche wie zeitgeschichtliche Probleme auffächert. Sie werden in einer sehr detaillierten Charakterstudie thematisiert.

 

Info

 

La Guerre est finie - Der Krieg ist vorbei

 

Regie: Alain Resnais,

122 Min., Frankreich 1966;

mit: Yves Montand, Ingrid Thulin, Geneviève Bujold

 

Weitere Informationen

 

Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf

 

Diego, ein Exilspanier in Paris, kämpft im Untergrund seit über 30 Jahren gegen das Franco-Regime. Er reist unter falschem Namen regelmäßig nach Spanien, um die in Frankreich lebenden spanischen Flüchtlinge mit ihren Angehörigen in Verbindung zu halten. Doch sein Tätigkeit wird zunehmend schwieriger. Der Revolutionär steht an einer biographischen Schwelle – und muss eine Entscheidung treffen.

 

Probleme des Exils

 

Im für den französischen Regisseur relativ konventionell erzählten Film steckt mehr, als die Oberfläche zeigt. Er ist nicht nur sehr politisch, sondern auch durchdrungen von den persönlichen Folgen des Exils – und der damit verbundenen Sehnsucht nach Zugehörigkeit.

Offizieller Filmtrailer


 

Vielschichtiges Narrativ, vielschichtige Figur

 

Diego ist in seiner Funktion als Mittler zwischen Familien stark in jene Konflikte involviert. Dabei stellt sich auch die Frage nach seiner Identität, die vor allem über die Liebe zu Marianne verhandelt wird.  Der Bezug zu seiner spanischen Heimat ist für ihn als exilierter Republikaner zunehmend problematisch und beeinflusst sein Handeln. Sein Traum, zurückzukehren und den Kampf gegen den Faschismus zu gewinnen, geht sukzessive verloren.

 

Auf der Rückreise nach Paris von einer Mission in Madrid wird Diegos Ausweis kontrolliert. Doch wer ist dieser Mann wirklich? Off-Kommentare geben Einblick in die innere Sicht des Revolutionärs. Das naturalistische und sehr zurückgenommene Schauspiel von Yves Montand spielt eine entscheidende Rolle für die Wirkung der Figur und die Komplexität des  Charakters. Montand unterstützt maßgeblich die vielschichtige narrative Struktur des Films und bietet offene Räume.

 

Abstrakte Liebesszenen

 

Auch der Filmtitel ist ambivalent. Welcher Krieg ist gemeint? Im Untergrund findet er gegen den Faschismus noch statt. Selbst 30 Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs arbeitet Diego gegen das Franco-Regime. Die Revolutionsbewegung ist vor allem von älteren Männern geprägt. Die Jungen sind im Kampf für ihre politische Überzeugung radikaler und gewaltbereiter. Diego steht in Konflikt mit seinem Alter. Der Kampf im Exil scheint unendlich, sofern das Exil nicht als Heimat akzeptiert werden kann. Im Kontrast zu Diegos Berufung steht sein privates Glück. Besonders hier wird die Stilistik und formelle Innovation sichtbar, die Resnais stets ausgezeichnet hat. Die Liebesszenen sind sehr abstrakt und deuten über die Montage Reize nur an.

 

Das ist hoch erotisch und sinnlich; in seiner formellen Abstraktion völlig überraschend und innovativ. Die Close Ups der Hände, die sich auf den nackten Körper von Diegos Freundin legen und zugreifen, werden aneinander kompiliert, um letztlich die Erregung und Ekstase auf der Leinwand zu spüren. Besonders diese Wucht machen den Film zu einem ganz großen, filmhistorisch unvergesslichen Kino.

 

Entzauberung des Fremden

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung  "Letztes Jahr in Marienbad. Ein Film als Kunstwerk" - von Alain Resnais in der Kunsthalle Bremen

 

und hier einen Beitrag über den Film Ihr werdet Euch noch wundern– Konversations-Drama unter Liebespaaren von Alain Resnais mit Michel Piccoli + Mathieu Amalric

 

Resnais schafft über kühle schwarzweiße und außerordentlich düstere Bildkompositionen eine Atmosphäre, die jene tödliche Bedrohung und Gefahr spürbar macht, in der sich die Revolutionäre seit vielen Jahren befinden. Die Stimmung und nicht explizite Darstellung bewirkt eine unausgesprochene Härte in der Erzählung: Die Probleme des Exils werden forciert bis zur Entzauberung des Fremden.

 

Ob die beiden Liebenden letztlich in Madrid zusammen finden, bleibt offen. Resnais erzählt einerseits mit einfachen stilistischen Mitteln eine tief poetische Geschichte, andererseits ein Liebesverhältnis, das aus und im Exil leiden muss: Zu all dem passt das offene Ende: Diego fährt zurück nach Spanien fährt und sie folgt ihm, die Zusammenkunft aber bleibt ausgespart.

 

Ein Gastbeitrag von Thomas Ochs, Filmmuseum Düsseldorf