Mit den Filmen „Hiroshima, mon amour“ und „Letztes Jahr in Marienbad“ hat sich der Regisseur Alain Resnais auf eine Entdeckungsreise durch das Unbewusste begeben. Sein vierter Spielfilm „Der Krieg ist vorbei“ ist hingegen ein rasanter Thriller, der in seiner scheinbaren Einfachheit bei genauerem Hinsehen gesellschaftliche wie zeitgeschichtliche Probleme auffächert. Sie werden in einer sehr detaillierten Charakterstudie thematisiert.
Info
La Guerre est finie - Der Krieg ist vorbei
Regie: Alain Resnais,
122 Min., Frankreich 1966;
mit: Yves Montand, Ingrid Thulin, Geneviève Bujold
Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf
Probleme des Exils
Im für den französischen Regisseur relativ konventionell erzählten Film steckt mehr, als die Oberfläche zeigt. Er ist nicht nur sehr politisch, sondern auch durchdrungen von den persönlichen Folgen des Exils – und der damit verbundenen Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Offizieller Filmtrailer
Vielschichtiges Narrativ, vielschichtige Figur
Diego ist in seiner Funktion als Mittler zwischen Familien stark in jene Konflikte involviert. Dabei stellt sich auch die Frage nach seiner Identität, die vor allem über die Liebe zu Marianne verhandelt wird. Der Bezug zu seiner spanischen Heimat ist für ihn als exilierter Republikaner zunehmend problematisch und beeinflusst sein Handeln. Sein Traum, zurückzukehren und den Kampf gegen den Faschismus zu gewinnen, geht sukzessive verloren.
Auf der Rückreise nach Paris von einer Mission in Madrid wird Diegos Ausweis kontrolliert. Doch wer ist dieser Mann wirklich? Off-Kommentare geben Einblick in die innere Sicht des Revolutionärs. Das naturalistische und sehr zurückgenommene Schauspiel von Yves Montand spielt eine entscheidende Rolle für die Wirkung der Figur und die Komplexität des Charakters. Montand unterstützt maßgeblich die vielschichtige narrative Struktur des Films und bietet offene Räume.
Abstrakte Liebesszenen
Auch der Filmtitel ist ambivalent. Welcher Krieg ist gemeint? Im Untergrund findet er gegen den Faschismus noch statt. Selbst 30 Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs arbeitet Diego gegen das Franco-Regime. Die Revolutionsbewegung ist vor allem von älteren Männern geprägt. Die Jungen sind im Kampf für ihre politische Überzeugung radikaler und gewaltbereiter. Diego steht in Konflikt mit seinem Alter. Der Kampf im Exil scheint unendlich, sofern das Exil nicht als Heimat akzeptiert werden kann. Im Kontrast zu Diegos Berufung steht sein privates Glück. Besonders hier wird die Stilistik und formelle Innovation sichtbar, die Resnais stets ausgezeichnet hat. Die Liebesszenen sind sehr abstrakt und deuten über die Montage Reize nur an.
Das ist hoch erotisch und sinnlich; in seiner formellen Abstraktion völlig überraschend und innovativ. Die Close Ups der Hände, die sich auf den nackten Körper von Diegos Freundin legen und zugreifen, werden aneinander kompiliert, um letztlich die Erregung und Ekstase auf der Leinwand zu spüren. Besonders diese Wucht machen den Film zu einem ganz großen, filmhistorisch unvergesslichen Kino.
Entzauberung des Fremden
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Letztes Jahr in Marienbad. Ein Film als Kunstwerk" - von Alain Resnais in der Kunsthalle Bremen
und hier einen Beitrag über den Film “Ihr werdet Euch noch wundern” – Konversations-Drama unter Liebespaaren von Alain Resnais mit Michel Piccoli + Mathieu Amalric
Ob die beiden Liebenden letztlich in Madrid zusammen finden, bleibt offen. Resnais erzählt einerseits mit einfachen stilistischen Mitteln eine tief poetische Geschichte, andererseits ein Liebesverhältnis, das aus und im Exil leiden muss: Zu all dem passt das offene Ende: Diego fährt zurück nach Spanien fährt und sie folgt ihm, die Zusammenkunft aber bleibt ausgespart.
Ein Gastbeitrag von Thomas Ochs, Filmmuseum Düsseldorf