André Téchiné

Mit Siebzehn – Quand on a 17 ans

Thomas (Corentin Fila). Foto: KOOL Filmdistribution
(Kinostart: 16.3.) Wer sich prügelt, liebt sich: Im Coming-Out-Drama von André Téchiné treffen zwei 17-jährige aufeinander; der eine ist bäuerlich, der andere bürgerlich. Doch sie haben mehr gemeinsam als sie möchten - einfühlsamer Film über die Wirrungen der Sexualität.

Es ist nicht leicht erwachsen zu werden. Das weiß auch Regisseur André Téchiné. Er ist zwar über 70 Jahre alt, aber mit den Gefühlen von jungen Menschen kennt er sich aus. Hierzulande ist er vor allem für seinen coming of age-Film „Wilde Herzen“ (1994) bekannt. Auch in seinem neuen Werk „Mit Siebzehn“ erzählt er von Heranwachsenden, die lernen müssen, ihre Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen. Das ist nicht leicht; vor allem, wenn sie anders sind als die anderen.

 

Info

 

Mit Siebzehn -
Quand on a 17 ans

 

Regie: André Téchiné,

116 Min., Frankreich 2016;

mit: Corentin Fila, Sandrine Kiberlain, Kacey Mottet Klein,

 

Website zum Film

 

Damien (Kacey Mottet Klein) und Thomas (Corotin Fila) sind beide 17, leben in den französischen Pyrenäen und gehen zusammen auf das Gymnasium. Aber ausstehen können sie sich nicht. Im Unterricht kommt es immer wieder zu kleinen, versteckten Tätlichkeiten. Auf dem Pausenhof geht es dann härter zur Sache: Immer wieder geraten aneinander und müssen von Mitschülern und Lehrern getrennt werden.

 

Liebevolle Familien

 

Woher ihre Abneigung kommt, bleibt zunächst offen. Beide sind sonst eher verständig und kommen aus liebvollen, wenn auch sehr unterschiedlichen Elternhäusern: Damien wohnt mit seiner Mutter Marianne (Sandrine Kiberlain), einer Hausärztin, in der Stadt. Der Vater ist als Soldat im Auslandseinsatz und nimmt fast nur über skype am Familienleben teil. Damien kocht gerne, lernt boxen und ist ein guter Schüler.

Offizieller Filmtrailer


 

Stoische Gelassenheit

 

Thomas, der afrikanische Wurzeln hat, lebt mit seinen Adoptiveltern in den Bergen auf einem Bauernhof. Er ist ein mäßiger Schüler, dafür versorgt er zuverlässig die Tiere, repariert Zäune und meistert täglich und mit stoischer Gelassenheit seinen zweistündigen Schulweg, der besonders im Winter hart ist. Er ist selbstständig, schweigsam und fühlt sich am wohlsten, wenn er allein in der Natur unterwegs ist.

 

Eines Tages wird Damiens Mutter Marianne zu Thomas Mutter Christine (Mama Prassinos) gerufen: Der Landwirtin geht es schlecht. Die Ärztin stellt fest, dass Christine schwanger ist und nach vielen Fehlgeburten in ein Krankenhaus muss. Weil Damien und Thomas Klassenkameraden sind, bietet sie spontan an, dass Thomas eine Weile bei ihnen in der Stadt wohnen kann. Dessen Eltern nehmen das Angebot gerne an: Ohne den langen Schulweg und die Arbeit auf dem Hof gäbe es immerhin die Chance, dass Thomas sein Abitur schafft.

 

Wie zwei Hirsche

 

Von nun an wohnen die Gegner unter einem Dach. Erst jetzt merken sie, dass die Spannung zwischen ihnen keine Antipathie ist, sondern ein Wunsch nach körperlicher Nähe. Doch nach wie vor reagieren sie dieses Verlangen gewaltsam ab. Eines Tages verabreden sie sich zu einer Prügelei im Wald und gehen wie zwei Hirsche aufeinander los.

 

Hintergrund

 

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Jener Kampf ist eine der schönsten Szenen des Filmes. Die Sehnsucht nach Körperkontakt, vermischt mit dem Unverständnis des eigenen Gefühls und all den angestauten Emotionen eskaliert dann in hartem Aufeinanderprallen. Visuell unterstützt werden sie von den Naturaufnahmen der pyrenäischen Bergwelt – jede Jahreszeit des vergehenden Jahres scheint die diffuse Gefühlswelt der Heranwachsenden widerzuspiegeln. Ein Jahr, in dem noch so manche Erfahrung zu machen ist: Tod und Leben, Glück und Verzweiflung sind sich hier sehr nahe.

 

Privileg + Last der Jugend

 

Regisseur Téchiné löst den Konflikt nicht auf. Der Weg, den Damien und Thomas finden müssen, liegt noch vor ihnen: Das Privileg, aber auch die Last der Jugend. Doch der Regisseur ist ein Menschenfreund – und zum Schluss scheint es, als könnten die beiden jungen Männer ihren Platz in der Gesellschaft finden.

 

Die stille, unaufgeregte Machart des Filmes verhelfen der kleinen Geschichte zu großer Dichte und Atmosphäre. Besonders Sandrine Kiberlain spielt Marianne mit enormer Wärme. „Mit Siebzehn“ ist ein optimistischer Film: Er betont die Schönheit des Lebens und der Liebe.