Jim Jarmusch

Gimme Danger

Iggy Pop gibt Auskunft. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 27.4.) Brave Bilder von einer brachialen Band: Regisseur Jim Jarmusch porträtiert die enorm einflussreiche Proto-Punk-Band "The Stooges" um Sänger Iggy Pop. Diese Doku wird ihr in vielen Aspekten gerecht, fängt aber den wichtigsten nicht ein.

Sind „The Stooges“ die wichtigste Band in der Geschichte des rock ’n’ roll? Ja, wenn es nach Regisseur Jim Jarmusch geht. Zumindest behauptet er es, gleich zu Beginn seines neuen Dokumentarfilms „Gimme Danger“ über die Detroiter Rockband um den Sänger Iggy Pop. Der Anspruch fällt allerdings in erster Linie auf seinen eigenen Film zurück: Derart eingestimmt, möchte man nun auch wissen, warum. Das aber löst die brav-solide Dokumentation über eine ganz und gar nicht brave Band nur bedingt ein.

 

Info

 

Gimme Danger

 

Regie: Jim Jarmusch,

108 Min., USA 2016;

mit: Iggy Pop, Ron Asheton, James Williamson, Scott Asheton

 

Website zum Film

 

Natürlich dient Jarmuschs Superlativ dazu, eine gewisse Fallhöhe zu schaffen – sieht man die Band doch zunächst an ihrem Tiefpunkt. 1975 löste sich die mittlerweile in „Iggy and The Stooges“ umbenannte Gruppe auf. Ihr Brachial-Meisterwerk „Raw Power“ (1973) war ein flop, ein neuer Plattenvertrag nicht in Sicht und ein Teil der Musiker schwer drogensüchtig.

 

Mehr performance als Konzert

 

Die Karriere der Band begann Ende der 1960er Jahre unter dem Namen „Psychedelic Stooges“. Zu diesem Zeitpunkt hatte lediglich Iggy Pop als Schlagzeuger seiner high school band „The Iguanas“ und der blues-lastigen Gruppe „The Prime Movers“ musikalische Erfahrung gesammelt. Seine neuen Mitstreiter Ron Asheton (Gitarre), Scott Asheton (Schlagzeug) und Dave Alexander (Bass) waren Neulinge an ihren Instrumenten. Live boten sie ihren Zuschauern vor allem performance-Kunst mit langen Improvisationen um simple Gitarren-riffs.

Offizieller Filmtrailer


 

Mehr Experimente

 

Als die „Stooges“ durch Vermittlung der befreundeten Band „MC5“ einen Vertrag mit der Plattenfirma „Elektra“ bekamen, mussten sie mit ihren limitierten Fähigkeiten songs für ihre erste LP schreiben. Das Ergebnis, „The Stooges“  von 1969, ist mit Songs wie „No Fun“ und „I Wanna Be Your Dog“ einer der großen proto punk-Klassiker: hochenergetischer Gitarrenrock mit einfachen riffs und schneidenden, effektlastigen Soli. Nur das zehnminütige Stück „We Will Fall“ erinnert noch an die Psychedelic Stooges. Auf dem Nachfolger „Fun House“ (1970) setzten die Musiker mit dem neuen Saxophonisten Steven Mackay ihr Konzept fort – und fanden zu einer experimentelleren Form mit Einflüssen aus blues, psychedelic rock und dem freien jazz eines John Coltrane.

 

Das vor allem von live gigs stammende Video-Archivmaterial dürfte Kennern weitgehend bekannt sein. Jarmusch lässt dabei die Musiker samt einigen Weggefährten die Geschichte der band bis zur Wiedervereinigung in den 2000er-Jahren erzählen. Deutlich wird aber, dass offenbar nur Iggy Pop wirklich ausführlich zur Verfügung stand. Ron Asheton ist 2009 verstorben und nur auf Archiv-Bildern präsent, sein Bruder Scott litt zum Zeitpunkt des Filmdrehs sichtlich an den Folgen eines Schlaganfalls. Die Interviews mit Steven Mackay und James Williamson wirken, als hätte der Regisseur gerade einmal fünf Minuten Zeit für die Gespräche mit ihnen gehabt.

 

Attitüde zählte mehr als Können

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Paterson" – poetisch-intensives Porträt eines Busfahrer-Dichters von Jim Jarmusch

 

und hier einen Beitrag über die Doku  “Blank City”  über die No-Wave-Szene im New York um 1980 von Céline Danhier mit Jim Jarmusch

 

und hier einen Bericht über den Film "William S. Burroughs: A Man Within" – Doku über den drogensüchtigen Literaten von Yony Leyser mit Iggy Pop.

 

Die Bedeutung der Band speist sich nicht allein aus der Zeitlosigkeit ihrer epochalen Platten und der damals einzigartigen, ungeheuer konfrontativen Haltung von Iggy Pop gegenüber einem weitgehend feindlichen Konzert-Publikum. Genauso wichtig ist die Rezeptions-Geschichte der „Stooges“: als wohl wichtigster Einfluss auf den punk rock der 1970er Jahre.

 

Zwar mag die Band kommerziell ein Reinfall gewesen sein – doch ihre wenigen Bewunderer fanden in ihrer Rolle als Außenseiter bald Gleichgesinnte, mit denen sie etwas Eigenes auf die Beine stellen konnten. Attitüde zählte dabei mehr als Können – auch das ist ein Vermächtnis der „Stooges“. Regisseur Jarmusch unterschlägt das nicht völlig, kann es aber mit einer eher beiläufigen Erwähnung nicht wirklich vermitteln.

 

Musealer Ritterschlag

 

Dass stattdessen die Aufnahme der Band in die „Rock ’n‘ Roll Hall of Fame“ 2010 erörtert wird, ist typisch amerikanisch. Was in den USA als Ritterschlag gilt, klingt in europäischen Breiten eher nach öder Museumsreife. Das wird den „Stooges“ überhaupt nicht gerecht. Wer die Band – selbst in späteren Jahren – einmal live gesehen hat, weiß: Ihre brachiale Gewalt lässt sich filmisch nicht einfangen.