King Hu

A Touch of Zen (Ein Hauch von Zen)

Yang Hui-ching (Feng Hsu) versteht es, sich zu verteidigen. Foto: © Taiwan Film Institute/ Rapid Eye Movies
(Kinostart: 17.8.) Spiel mir das Lied vom Tod in Taiwan: Mit seinem Kampfkunst-Klassiker von 1971 revolutionierte Regisseur King Hu den ostasiatischen Film. Sein faszinierend bildgewaltiges Rache-Epos kommt nun digital restauriert wieder ins Kino.

„Ein Hauch von Zen“ – das klingt nach einer esoterisch angehauchten Doku über fernöstliche Weisheitslehren. Nichts lag dem chinesischen Regisseur King Hu ferner, als er 1971 in Taiwan „A Touch of Zen“ drehte. Obwohl im Film mehrfach eine Schar Mönche in gelben Roben auftaucht, um mit übermenschlichen Fähigkeiten den Protagonisten aus der Klemme zu helfen. Und am Ende die buddhistische Lehre vom „Ozean der Leiden“ auf dramatische Weise Bestätigung findet.

 

Info

 

A Touch of Zen
(Ein Hauch von Zen)

 

Regie: King Hu,

180 Min., Taiwan 1971;

mit: Feng Hsu, Chun Shih, Ying Bai, Han Yin-Chieh

 

Weitere Informationen

 

Doch zuvor inszeniert der Regisseur ein formvollendetes Rache-Epos im wuxia-Stil. Das in China äußerst beliebte Genre entspricht etwa der westlichen fantasy: In fernen Zeiten machen untadelige Helden mit allerlei Kampftechniken sämtlichen Bösewichtern den Garaus. Schon mit den Vorgängern „Come Drink with Me“ (1966) und „Dragon Gate Inn“ (1967) hatte King Hu Kassenschlager gelandet; deren Stilmittel perfektionierte er in seinem Meisterwerk von 1971. Zurecht genießt „A Touch of Zen“ in Fernost den gleichen mythischen Ruf wie Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) im westlichen Kino.

 

Neue Nachbarin im Geisterhaus

 

Dabei ist die Fabel ähnlich schlicht. In einer Kleinstadt der Ming-Zeit (1368-1644) wohnt der gebildete, aber etwas unbedarfte Schreiber und Porträt-Maler Ku Shen Chai (Chun Shih) neben einem verlassenen Herrenhaus, in dem Geister hausen sollen. In dieses Spukhaus zieht die schöne Yang Hui-ching (Feng Hsu) ein. Die Mutter von Ku will ihn mit der neuen Nachbarin verkuppeln, doch sie weigert sich: Yang ist auf der Flucht. Ihr Vater fiel beim korrupten Hof-Eunuchen Wei in Ungnade und wurde ermordet; nun jagen Weis Schergen Yang und ihren Getreuen General Shih Wen-chiao (Ying Bai) durchs ganze Land.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Nie gesehene Überwältigungs-Ästhetik

 

Der bedrohten Schönheit beizustehen, ist für Ku Ehrensache. Mit Erfolg: Dass der leicht naive Provinzler sich plötzlich als gewiefter Stratege entpuppt, der mit raffinierten Kriegslisten ein Killer-Kommando von Wei nach dem anderen austrickst, zählt zu den vielen kleinen Ungereimtheiten des Drehbuchs – was aber das Sehvergnügen nicht mindert. Denn die raffiniert ausgefeilte Bildsprache des Films fesselt heute noch genauso wie vor 46 Jahren.

 

Ähnlich wie sein italienischer Kollege Sergio Leone reizt King Hu die technischen Möglichkeiten von Cinemascope voll aus. Mit scharfen Kontrasten erzeugt er eine Überwältigungs-Ästhetik, die es bis dato im asiatischen Kino nicht gab. Lange elegische Passagen mit stimmungsvollen Naturansichten bauen unterschwellige Spannung auf, die sich in hektischem action-Feuerwerk entlädt. Kühne Kamera-Perspektiven, rasante Schnittfolgen und abrupte Wechsel von Halbtotalen auf extreme Nahaufnahmen, etwa die Augen der Akteure, sorgen für ein Wechselbad der Eindrücke und Emotionen.

 

Kampfszenen als schwereloses Ballett

 

Am meisten stilbildend wirkten aber die Kampfkunst-Szenen des Films. Damit sie eindrucksvoller erscheinen, kombinierte King Hu konventionelle Kampftechniken mit fremden Elementen: Schwertgefechte oder Kung Fu kreuzte er mit Bewegungsabläufen aus Tanztheater, Artistik und sogar Peking-Oper. Seine Choreographien waren atemberaubend: Mühelos springen Kombattanten mithilfe von wirework meterhoch und -weit, schlagen Salti in der Luft und machen ihre Feinde nieder wie ein geölter Blitz.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Assassin" – raffinierter Meta-Martial-Arts-Historienfilm aus Taiwan von Hou Hsiao-Hsien

 

und hier einen Bericht über den Film "The Grandmaster" – ästhetisiertes Martial-Arts-Epos aus Hongkong von Wong Kar-Wai

 

und hier einen Beitrag über den Film "Drachenmädchen" – Doku über Chinas größte Kung-Fu-Schule von Inigo Westmeier

 

und hier eine Besprechung des Films "A Touch of Sin" – schonungsloses Sozialdrama über Ausbeutung + Gewalt im heutigen China von Jia Zhangke.

 

Für derartige Innovationen wurde der Film auf dem Festival von Cannes 1975 mit dem Grand Prix für technische Leistungen prämiert. Seither ähneln martial arts auf der Leinwand einem schwerelosen Ballett – völlig unrealistisch, aber herrlich anzusehen. Anders als in vielen Genre-Filmen sind aber die Kampfszenen in „A Touch of Zen“ nicht Selbstzweck, sondern stehen im Dienste der tragischen Fabel.

 

Bilder der Verzweiflung wie bei Kurosawa

 

Yang lässt sich zwar mit Ku ein und schenkt ihm den ersehnten Sohn, zieht sich aber von der Welt in ein buddhistisches Kloster zurück: Der frischgebackene Vater bleibt ratlos mit dem Säugling zurück. Und die Häscher unter dem Kommandanten Hsu (Han Yin-Chieh) gehen an ihrer Falschheit zugrunde. In der psychedelisch anmutenden Schlussszene stürzt sich Hsu, dem Wahnsinn verfallen, in den Abgrund. Solche Verzweifelungstaten inszeniert King Hu als grandiose tableaux wie in den Samurai-Epen und Shakespeare-Verfilmungen von Akira Kurosawa.

 

Damit haben beide Regisseure das Eastern-Genre und mehrere Generationen von Nachfolgern zutiefst geprägt. Noch 2014 betitelte der chinesische Autorenfilmer Jia Zhangke sein völlig anders gelagertes Sozialdrama „A Touch of Sin“ – als Referenz an das verehrte Vorbild. Was ihn und Millionen anderer Asiaten so begeistert hat, lässt sich nun endlich wieder auf der Leinwand erleben: In der digital restaurierten Fassung kommen die spektakulären Panoramabilder dieses Meisterwerks ungetrübt zur Geltung.