Im Nachkriegsdeutschland wurden NS-Verbrechen und der Holocaust vielfach totgeschwiegen, um die historische Wahrheit und Schuldgefühle zu verdrängen. Dieses kollektive Schweigen spießte der damals berühmte Schauspieler Peter Lorre 1951 auf. „Der Verlorene“ war seiner Zeit voraus; der Film gewinnt derzeit neue Aktualität angesichts von wieder erstarkendem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Info
Der Verlorene
Regie: Peter Lorre,
98 Min., Deutschland 1951
mit: Peter Lorre, Karl John, Helmuth Rudolph
Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf
An der Seite von Humphrey Bogart
Diese erste Regiearbeit von Peter Lorre bleibt auch seine einzige: Der Film erhielt gemischte Kritiken, lief nur zehn Tage in den bundesdeutschen Kinos und war ein finanzieller Misserfolg. In den USA fand er überhaupt keinen Verleih – was für Lorre umso schmerzlicher gewesen sein dürfte, als er dort ab 1935 lebte. In Hollywood hatte er große Erfolge gefeiert: So spielte er an der Seite von Humphrey Bogart in den Schwarze-Serie-Klassikern „Die Spur des Falken“ (1941) und „Casablanca“ (1942) mit. Allerdings war Lorre auf das Stereotyp moralisch zwielichtiger Figuren festgelegt: Von diesem Erfolgsmodell wollte Warner Bros. nicht abweichen.
Auszug aus dem Film
Bezug zu „M – Ein Stadt sucht einen Mörder“
Mit „Der Verlorene“ versuchte Lorre, wieder an seine Vorkriegs-Karriere in Europa anzuknüpfen: Ihm gelang ein Meisterwerk über Schuld und nicht mehr mögliche Sühne. Dabei bezog er sich ganz bewusst auf „M – Ein Stadt sucht einen Mörder“; dieser Serienmörder-Krimi von Fritz Lang mit Lorre in der Hauptrolle hatte ihn 1931 zum Star gemacht. Er sah offensichtlich Analogien zwischen der Endphase der Weimarer Republik und Deutschland in der Kriegs- und Nachkriegszeit.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Fritz Lang" - Dokudrama von Gordian Maugg über die Entstehung des Klassikers „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ mit Peter Lorre
und hier eine Besprechung des Films "Von Caligari zu Hitler – Das deutsche Kino im Zeitalter der Massen" - Essay-Film über Stummfilm-Klassiker der 1920er Jahre von Rüdiger Suchsland
und hier einen Beitrag über den Film "Jeder stirbt für sich allein" - Verfilmung des Roman von Hans Fallada über Widerstand + NS-Verfolgung durch Vincent Pérez.
Psychologie der Nazizeit
Zentral ist dabei sein Blick auf die NS-Propaganda: Sie infiltrierte auch apolitische Bürger mit ihrer Ideologie, machte sie zu Mitwissern und trieb sie zur Mittäterschaft an barbarischen Taten. Das wird deutlich am düsteren Schauplatz eines Flüchtlingslagers, in dem Dr. Rothe mit seiner belasteten Vergangenheit konfrontiert wird. In vielen Rückblenden wird seine Geschichte aufgerollt: Die Serienmörder-Figur dient letztlich dazu, die Komplexität der psychologischen Wirkung des NS-Regimes darzustellen.
Ein Gastbeitrag von Thomas Ochs, Filmmuseum Düsseldorf