George Clooney

Suburbicon

Mrs. Meyers (Karimah Westbrook) wird vom Mob beschimpft. Foto: © 2017 Concorde Filmverleih GmbH / Hilary Bronwyn Gayle
(Kinostart: 9.11.) Wohlstand für alle: Die Utopie der Konsumgesellschaft schien in US-Vorstädten der 1950er Jahre verwirklicht. Das demontiert George Clooney als Regisseur genüsslich – mit einem großartigen Drehbuch der Brüder Joel und Ethan Coen.

Als der american dream noch geholfen hat: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA stärker, mächtiger und attraktiver als je zuvor oder danach. Sie erzeugten in den 1950er Jahren sage und schreibe die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung weltweit. Dieser Wohlstand wollte verteilt werden: Damals formierte sich die moderne Konsumgesellschaft mit Privatauto, Eigenheim und Fernseher für jedermann – zumindest in der Mittelklasse.

 

Info

 

Suburbicon

 

Regie: George Clooney,

105 Min., USA 2017;

mit: Matt Damon, Julianne Moore, Oscar Isaac

 

Website zum Film

 

So entstand suburbia: schier endlose Siedlungen mit Einfamilienhäusern samt Vorgarten und Garage, die jede US-Großstadt umgeben. Ein besonders schmuckes Exemplar ist die Gemeinde Levittown bei Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania. Sie wurde wie drei Namensvettern von der Baufirma „Levitt & Sons“ nach einheitlichen Plänen hochgezogen: Alle Häuser haben die gleichen Grundrisse und Fassaden. Dieses Musterbeispiel dient als Vorbild für den nach Kalifornien verlegten Schauplatz von „Suburbicon“.

 

Formschwankungen in fünf Filmen

 

Dafür greift George Clooney auf ein 18 Jahre altes Drehbuch von Joel und Ethan Coen zurück, das er nur leicht modifiziert hat – was dem Ergebnis sichtlich gut tut. Als Regisseur hat der hyperaktive Clooney in seinen bisher fünf Spielfilmen erhebliche Formschwankungen gezeigt: sein Dokudrama „Good Night, and Good Luck“ (2005) über investigativen Journalismus war untadelig, aber staubtrocken; der Polit-Thriller „The Ides of March – Tage des Verrats“ (2011) brillant, die Militärklamotte „The Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ (2014) völlig daneben.

Offizieller Filmtrailer


 

Kosmos der dämlichen Verbrechen

 

„Suburbicon“ wirkt jedoch in look and feel ganz wie ein Film der Coen-Brüder: von der liebevollen Rekonstruktion einer vergangenen Epoche über verschrobene Charaktere mit latent sinnfreien Dialogen bis zu Verbrechen aus dem Geist der Dämlichkeit. Ihr gesamtes Werk bevölkern kriminelle Stümper, angefangen mit dem mörderischen Privatdetektiv im Debütfilm „Blood Simple“ (1984) und endend mit den linksradikalen Drehbuchautoren, die in „Hail, Cesar!“ (2016) einen Hollywood-Star entführen – gespielt von George Clooney.

 

Auch die „Suburbicon“-Hauptfigur Garner Lodge (Matt Damon) hat einen Vorläufer im Coen-Kosmos: Larry Gopnik, der Antiheld in „A Serious Man“ (2009). Doch während Gopnik als unschuldiger Vorstadt-Hiob von etlichen Schicksalsschlägen heimgesucht wird, trägt Garner Lodge die Maske des Biedermanns zu Unrecht. Was Regisseur Clooney in zwei parallelen Handlungssträngen genüsslich demontiert.

 

Farbige senken Immobilienpreise

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Hail, Caesar!" – aberwitzige Komödie über das Hollywood-Studiosystem der 1950er Jahre von Joel + Ethan Coen mit George Clooney

 

und hier eine Besprechung des Films "The Monuments Men – Ungewöhnliche Helden" über Kunst-Rettung am Ende des Zweiten Weltkriegs von + mit George Clooney

 

und hier einen Bericht über den Film "The Ides of March – Tage des Verrats" – brillanter Polit-Thriller über den US-Wahlkampf von + mit George Clooney

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Founder" – Tragikomödie über die Gründung von McDonalds als Sittengemälde der 1950er Jahre von John Lee Hancock mit Michael Keaton

 

und hier einen Bericht über den Film "Loving" – subtiles Dokudrama über Rassendiskriminierung in den 1950/60er Jahren von Jeff Nichols.

 

Die lautstarke Demontage spielt sich auf dem Nachbargrundstück ab. Dort ist soeben Familie Myers eingezogen: unauffällige, gesittete Leute – allerdings mit dunkler Hautfarbe. Das missfällt vielen Leuten, die um den Wert ihrer Immobilien fürchten, wenn sich Farbige „weiter hier breitmachen“. Ihr Protest beginnt mit Schmierereien und mündet in einen tobenden Mob, der Brandsätze wirft. Szene für Szene verfolgt man hautnah mit, wie ein Pogrom entsteht.

 

Im Domizil der Lodges bleibt es hingegen ruhig. Unheimlich ruhig, haben doch zwei Einbrecher vor kurzem Garners Frau Rose (Julianne Moore) umgebracht. Da liegt es nahe, dass der Witwer ihre Zwillingsschwester Margaret (ebenfalls Julianne Moore) einziehen lässt, um auf den kleinen Nick aufzupassen. Dummerweise kommen die beiden Bösewichte wieder: Offenbar schuldet Garner ihnen etwas. Das interessiert Polizeichef Hightower ebenso wie den Versicherungdetektiv Bud Cooper (Oscar Isaac).

 

Blutspritzer nicht mehr wegwischen

 

Die Verstrickungen im Hause Lodge entwirrt der Film mit viel Gespür für timing und subtile Situationskomik; die Coen-typischen skurrilen Details wirken nie aufgesetzt, sondern leicht absurd wie das Vorstadt-Leben selbst. Derweil läuft der brachiale Rassismus nebenan etwas schematisch ab – er hat mit dem eigentlichen plot nichts zu tun. Was durchaus zu einer segregierten Gesellschaft passt, die in der Praxis des Wegsehens geübt ist.

 

Jedenfalls fallen bald sämtliche Tötungshemmungen weg, so dass sich Matt Damon als bräsiger Abteilungsleiter gar nicht mehr die Mühe macht, die Blutspritzer auf seinem Gesicht wegzuwischen. Und wenn am Ende die anfängliche Idylle restlos zertrümmert ist, kann der kleine Nick nichts anderes mehr tun, als mit dem schwarzen Nachbarsjungen Baseball zu spielen. Das ist das Einzige, was vom american dream noch übrig geblieben ist.