Rachid Hami

La Mélodie – Der Klang von Paris

Der kleine Arnold (Alfred Renely) erweist sich als großes musikalisches Talent. Foto: © 2017 PROKINO Filmverleih GmbH
(Kinostart: 21.12.) Klassik für Ghetto-Kids: Regisseur Rachid Hami schickt einen Profi-Geiger als Lehrer in eine Problemschule. Doch klassische Musik interessiert die Schüler denkbar wenig – klischeelastiges Integrations-Drama mit vorhersehbarem Ausgang.

Simon Daoud (Kad Merad) ist unglücklich: Der virtuose Geiger hat die Freude an seinem Beruf und seinem Leben verloren. Nach seiner Scheidung lebt er allein; auch seine Tochter wendet sich von ihm ab. Sie möchte nicht länger Geige spielen: Als sie volljährig wird, entzieht sie sich der strengen Erziehung. Zudem läuft die Karriere des Musikers eher schleppend. Seine Kollegen halten sich bedeckt, ob und wann Simon den frei werdenden Platz im Streichquartett einnehmen darf. Der 50-Jährige steckt in einer midlife crisis und fühlt sich überflüssig.

 

Info

 

La Mélodie –
Der Klang von Paris

 

Regie: Rachid Hami,

102 Min., Frankreich 2017;

mit: Kad Merad, Samir Guesmi, Alfred Renely

 

Website zum Film

 

Dann wird er eines Tages gebraucht, beim „Démos“-Projekt: Hier bekommen benachteiligte Kinder die Chance, ein Instrument zu erlernen, um später ein Konzert in der Pariser Philharmonie geben zu können. Simon wird, eher aus Verzweiflung als Überzeugung, Musiklehrer an einer tristen Schule in einem Vorort der französischen Hauptstadt. 

 

Lieber prügeln als zuhören

 

Seine Schüler sind rüpelhafte Halbwüchsige, die sich lieber prügeln und beleidigen als einem Lehrer zuzuhören. Solche Respektlosigkeiten ist der elitäre Simon nicht gewöhnt; er wirkt von Anfang an hoffnungslos überfordert. Klassische Musik scheint hier fehl am Platz. Die Kinder können sich nicht konzentrieren und haben keinen Ehrgeiz. Wenn er könnte, würde er seine neue Aufgabe bereits nach der ersten Stunde hinwerfen.

Offizieller Filmtrailer


 

Vorlautes Talent

 

Allerdings gibt es Lichtblicke: Da ist der engagierte Klassenlehrer Farid (Samir Guesmi), der mit seinen Schülern gemeinsam versucht, Geige zu erlernen. Und es gibt unter all den wilden Schülern auch zwei echte Talente: Der schüchterne Arnold (Renély Alfred) und der vorlaute Samir (Zakaria-Tayeb Lazab) entpuppen sich als vielversprechende Entdeckungen. Ganz langsam versteht Simon, wie seine neuen Schützlinge ticken; er bemüht sich leidenschaftlich um geeignete Lehrmethoden. Doch wird das ausreichen, um bei einem Konzert in der Philharmonie zu bestehen? 

 

Der Film des französischen Regisseurs Rachid Hami bietet nicht viel Neues auf dem Gebiet des Lehrerfilms. Wer „Die Schüler der Madame Anne“ (2015), „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (2004) oder „Dangerous Minds – Wilde Gedanken“ (1995) gesehen hat, kennt das Schema auch dieses Drehbuchs: Erst hassen sich alle, dann kommt die Zeit der Annäherung, bald gegenseitiges Verständnis und schließlich der kolossale Triumph.  

 

Üben auf dem Dach

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Schüler der Madame Anne" - authentisches Erziehungs-Drama aus Frankreich von Marie-Castille Mention-Schaar,

 

und hier einen Beitrag über den Film "Bande de Filles – Girlhood" - Gruppen-Porträt farbiger Teenager in der Pariser Banlieue von Céline Sciamma

 

und hier einen Bericht über den Dokumentarfilm "Newo Ziro – Neue Zeit" über Musiker der Sinti + Roma in Deutschland von Robert Krieg + Monika Nolte

 

und hier einen Beitrag über den Film "Saiten des Lebens" - feinsinnige Beziehungsstudie über ein Kammermusik-Ensemble von Yaron Zilberman.

 

Zumindest einzelne Szenen sind gut inszeniert: Etwa, wenn Arnold zum Üben auf das Dach seines Wohnblocks flüchten muss, weil sich die Nachbarn über den Geigenlärm beschweren. Mitten im Winter, am Horizont den Eiffelturm als ferne Silhouette, übt der Junge trotz Kälte beharrlich auf seinem geliehenen Instrument.

 

Überhaupt sind es die jugendlichen Darsteller, die etwas Frische in den altbackenen Film bringen. Leider ist auch dieser Bogen bald überspannt; die folgenden Szenen mit ständigen Konflikten wirken erzwungen und wenig feinsinnig. Vermutlich ist das auch der Unerfahrenheit des jungen Regisseurs Hami zuzuschreiben: Subtile Zwischentöne sind von seinem Film nicht zu erwarten.

 

Gute Absichten schlecht umgesetzt

 

So bleibt nur, die gute Absicht des Filmes lobend zu erwähnen. Er handelt von einem wichtigen Thema und sehr notwendigen Projekten – und betont, wie heilsam die Kraft der Musik ist; alle Kinder verdienen eine Chance.

 

Doch Regisseur Hami bügelt seinen Film einfach zu glatt. Integration und Überwindung von Klassenunterschieden gelingen nach ein paar Hindernissen so harmonisch, dass ein fader Nachgeschmack bleibt. Das schmalzige happy end ist beinahe lächerlich.