Guillermo del Toro

Shape of Water – Das Flüstern des Wassers

Elisa Esposito (Sally Hawkins) betrachtet die amphibische Kreatur (Doug Jones). Foto: © 2017 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 15.2.) Die Schöne und das Biest im Kalten Krieg: Ein Märchen für Erwachsene im liebevoll imitierten B-Movie-Look von Regisseur Guillermo del Toro ist der haushohe Oscar-Favorit – seine Farbenpracht transportiert ein schwarzweiß schlichtes Weltbild.

Am meisten überrascht an diesem Film das überschäumende Lob für ihn. Seit „Shape of Water“ im September in Venedig den Goldenen Löwen gewann, überschlägt sich die Kritik vor Begeisterung. Nachdem er schon andernorts reihenweise Preise abgeräumt hat, gilt er mit 13 Nominierungen als haushoher Favorit für die bevorstehende Oscar-Verleihung.

 

Info

 

Shape of Water - Das Flüstern des Wassers

 

Regie: Guillermo del Toro,

123 Min., USA 2017;

mit: Sally Hawkins, Octavia Spencer, Michael Shannon

 

Weitere Informationen

 

Dieser Hype erinnert an „La La Land“, der im Vorjahr für 14 Oscars nominiert war und sechs erhielt: Die Presse schwärmte unisono für das Neo-Musical von Damien Chazelle. Er hatte das Genre schwungvoll mit allerlei Anleihen bei seinen Klassikern wiederbelebt, samt Amour Fou von Emma Stone und Ryan Gosling zwischen Gefühlsjubel und Alltagsmühen. Eine bittersüße Stilübung in retromania, makellos schön anzusehen – und folgenlos verhallend.

 

Leinwand als Lagerfeuer für alle

 

Es scheint, als wolle die Branche in Zeiten wachsender Unübersichtlichkeit – bei immer mehr Produktionen mit niedrigeren Budgets für neue Vertriebskanäle wie Streaming-Dienste, die dem herkömmlichen Kino den Garaus zu machen drohen – das alte Star-System erneuern: mit DEM Autorenfilm des Jahres, den man gesehen haben muss. Auf der Leinwand als Lagerfeuer, um das sich alle scharen sollen.


Offizieller Filmtrailer


 

Spezialist für Fantasy-Horror-Fusionen

 

Was nur gelingt, wenn der auserkorene Saison-Hit tatsächlich einen Nerv trifft: Das macht ihn zum prägnanten Indikator des Zeitgeists. Bei „La La Land“ war es wohl der leidige Konflikt zwischen feurigen Leidenschaften und der erzwungenen Dauermobilität von freelance-Freiberuflern, in dem sich viele wiedererkannten. Womit „Shape of Water“ viele Betrachter derart beeindruckt, ist nicht so rasch auszumachen.

 

Obwohl der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro, ein Spezialist für fantasievolle Fantasy-Horror-Fusionen, seine Fabel recht einfach gestrickt hat. In einem CIA-Geheimlabor wird 1962 ein seltsames Amphibienwesen untersucht – es ist halb Mensch, halb Fisch. Sicherheitschef Richard Strickland (Michael Shannon) geht mit brutaler Gewalt vor, die ihn zwei Finger kostet.

 

„Schöne und das Biest“ als B-Movie

 

Dagegen verguckt sich die stumme Putzfrau Elisa Esposito (Sally Hawkins) in das Geschöpf und gewinnt sein Vertrauen. Als US-Militärs es töten wollen, damit es nicht den Sowjets in die Hände fällt, schmuggelt Elisa das Wesen mithilfe ihres schwulen Nachbarn Giles (Richard Jenkins) aus dem Labor in ihre Wohnung. Natürlich ist Strickland ihnen auf den Fersen, es kommt zum Showdown – doch das glückliche Paar rettet sich in die Freiheit der Ozeane.

 

Ein Märchen für Erwachsene mit geläufigem Stoff: „Die Schöne und das Biest“ wurde schon ein Dutzend Mal verfilmt. Hier im setting von B-Movies der 1950er Jahre: Regisseur Del Toro nennt ausdrücklich „Creature from the Black Lagoon“ („Der Schrecken vom Amazonas“) als Inspirationsquelle. In Jack Arnolds Grusel-Schocker von 1954 machte ein Kiemenmensch mit den Teilnehmern einer Tropen-Expedition kurzen Prozess.

 

Patchwork der Minderheiten vs. Macht

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Guillermo del Toro über "Shape of Water"

 

und hier eine Rezension des Films "The Untamed" - eindrucksvolles Sozialdrama über Sex mit Außerirdischem von Amat Escalante

 

und hier einen Bericht über den Film "Sieben Minuten nach Mitternacht" - bewegendes Melodram über Freundschaft zwischen Jungem und Monster von  Juan Antonio Bayona

 

und hier eine Besprechung des Films "Maudie" - anrührende Biographie einer kanadischen Folk-Art-Malerin von Aisling Malsh mit Sally Hawkins

 

und hier einen Beitrag über den Film "La La Land" - vielfach Oscar-prämiertes Neo-Musical von Damien Chazelle mit Emma Stone + Ryan Gosling.

 

Allerdings kehrt Del Toro die Rollen um: Sein Monster ist kein grausamer Täter, sondern schutzloses Opfer. Es wird gerettet durch eine Koalition der Außenseiter: seine stumme Geliebte, deren schwarze Kollegin, den schwulen Plakatmaler-Nachbarn ohne Aufträge – und der einzige Freak-Versteher bei der CIA, der Wissenschaftler Dr. Hoffstetler (Michael Stuhlbarg), arbeitet als Doppelagent den Sowjets zu.

 

Das Patchwork der Minderheiten überlistet die tumb-ignorante Machtzentrale: Seit Trumps Amtsantritt hat Hollywood diese Konstellation schon öfter durchgespielt. Wobei sie von Del Toro so liebevoll ausgestattet wie perfekt besetzt wird: Das unterirdische Labor ist ein herrlich düsteres steampunk-Labyrinth, gespickt mit skurrilen Transportwägelchen und flackernden Röhrenmonitoren.

 

Schwarzweiß schlichtes Weltbild

 

Sally Hawkins macht ohne Worte ihre Zuneigung zum glibschigen Wassertank-Bewohner hinreißend glaubhaft – da verzeiht man ihr gern die aufdringliche Symbolik, ihn ausgerechnet mit Eiern zu füttern. Und Michael Shannon ist jederzeit anzumerken, wie sehr sein kruder Chauvinismus auf Unsicherheit gründet.

 

Dennoch: Regisseur Del Toro hat die Bebilderung politischer Sachverhalte mit Fantasy-Elementen schon eleganter gelöst – etwa 2006 in „Pans Labyrinth“, einer ungemein vielschichtigen Parabel über die spanische Gesellschaft nach dem Bürgerkrieg 1936/9. Die Schauwerte seines neuen Films täuschen bei aller Technicolor-Farbenpracht jedoch kaum darüber hinweg, dass dessen Weltbild so schwarzweiß ausfällt wie das der Epoche, die er zu karikieren vorgibt. Für den Autorenfilm der Saison ist das arg wenig – aber in komplizierten Zeiten sehnen sich eben viele nach schlichten Botschaften.