Adam Driver + Jonathan Pryce

The Man Who Killed Don Quixote

Toby (Adam Driver) und "Don Quixote" (Jonathan Pryce). Foto: Concorde Filmverleih
(Kinostart: 27.9.) Wodka-Spots und Windmühlenflügel: Nach diversen gescheiterten Anläufen bringt Regisseur Terry Gilliam endlich seine Version der Geschichte von "Don Quixote" auf die Leinwand: komplex, verwirrend und mit gewohnt überbordender Fantasie.

Die Verschmelzung von Lebenswirklichkeit mit einer Traumwelt, welche die Frage aufwirft, wann Fantasie in Irrsinn mündet, war schon immer Terry Gilliams Lieblingsthema – ob in „Brazil“ oder „Twelve Monkeys“. Den wohl größten romantischen Irren der Weltliteratur – Don Quixote –  auf die Leinwand zu bringen, war entsprechend sein großer Traum. Nach fast dreißig Jahren Arbeit hat er ihn endlich realisiert.

 

Info

 

The Man Who Killed Don Quixote

 

Regie: Terry Gilliam,

132 Min., Spanien/ Belgien/ Frankreich 2018;

mit: Jonathan Pryce, Adam Driver, Stellan Skarsgård

 

Website zum Film

 

2001 war es schon einmal fast soweit. Wie die Dreharbeiten für Gilliam und seine Schauspieler, darunter Johnny Depp und Jean Rochefort, dann zum Albtraum wurden, kann man in Keith Fultons und Louis Pepes Dokumentation „Lost in La Mancha“ (2002) nachvollziehen. Dass es „The Man Who Killed Don Quixote“ nun überhaupt gibt, ist also beinahe ein Wunder. Dementsprechend selbstironisch und erleichtert steht dem Film die Zeile „…and now, finally…“ voran.

 

Eine fast aussichtslose Sache

 

Das stimmt zugleich ein wenig milde, denn „The Man Who Killed Don Quixote“ ist sicher nicht Gilliams bester, vielleicht aber sein kompromisslosester Film. Darin beschränkt sich der Regisseur nicht bloß auf die Verfilmung von Miguel de Cervantes‘ Roman über einen alten Narren, der glaubt, ein echter Ritter zu sein und seine Angebetete Dulcinea vor Riesen und anderen Monstren retten zu müssen. Die Parallelen zu seinem eigenen Projekt sind unübersehbar: Die lange Entstehungszeit und die vielen Pleiten machten Gilliam selbst zu einem Streiter für eine aussichtslos erscheinende Sache und gegen die (Wind-)Mühlen des Filmgeschäfts.

Offizieller Filmtrailer


 

Prostituierte statt Schauspielerin

 

Mit dessen alltäglichen Mühen hat auch der Werbefilmer Toby (sehr komisch: Adam Driver) zu kämpfen. Bei den Dreharbeiten für einen Wodka-Werbespot mit Motiven aus „Don Quixote“ klappt gar nichts. Vor zehn Jahren drehte Toby schon einmal in der Gegend: seinen Studenten-Abschlussfilm mit lokalen Laiendarstellern, ebenfalls eine Adaption von Cervantes‘ Roman. Als ihm eines Abends eine Raubkopie seines damaligen Werks zugesteckt wird, weckt das bei dem arroganten Zyniker die Sehnsucht nach seinen idealistischen Studententagen.

 

Aus einer sentimentalen Laune heraus macht er sich auf die Suche nach dem Dorf von damals, „Sueños“ (deutsch: „Träume“). Dort stellt er fest, dass seine Arbeit die Bewohner verändert hat. Der Hauptdarsteller, einst ein Schuhmacher, (wunderbar kauzig: Jonathan Pryce) ist der Illusion erlegen, selbst der Ritter von der traurigen Gestalt zu sein. Hauptdarstellerin Angelica (Joana Ribeiro) hingegen verdient ihr Geld als Callgirl, nachdem sie ihren Traum von einer professionellen Schauspielkarriere begraben musste.

 

Überschäumende Fantasie

 

Der eingebildete Quixote führt unterdessen für durchreisende Touristen gegen ein paar Euro ein rührendes Spektakel auf und hält Toby für seinen lange abwesenden Knappen Sancho Pansa. Als das Dorf durch widrige Umstände in Flammen gerät, „rettet“ er den vermeintlichen Freund, der sich bald unfreiwillig auf der Flucht vor der Polizei wiederfindet. Bei der gemeinsamen Reise der beiden verschwimmen die Grenzen zwischen Imagination und Realität immer mehr.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films “The Zero Theorem – Das Leben passiert jedem” – sarkastische SciFi-Groteske von Terry Gilliam

 

und hier das Interview "Don Quixote ist mein Vorbild" mit Terry Gilliam über den Film "The Zero Theorem"

 

Gilliam kostet seinen letztlichen Triumph über die widrigen Umstände sichtbar aus: Die Tücken, mit denen Toby am Anfang kämpfen muss, erinnern sehr an jene, die Gilliams ersten Drehversuch scheitern ließen. Dabei schert er sich wenig um Erwartungshaltungen und Erzählkonventionen und inszeniert seine Geschichte mit gewohnt überbordender Fantasie und irren Einfällen.

 

Ein irres Vergnügen

 

Die Realität verliert er allerdings nie ganz aus den Augen: So wird ein von illegalen Flüchtlingen bewohntes Dorf einmal unversehens zu einem mittelalterlichen Fort, in das die spanische Inquisition – in Wirklichkeit die Polizei – einfällt. In der bizarren Tour de Force tauchen jedoch auch Windmühlen, Riesen und eine Dame in Bedrängnis wieder auf. Die Unbedingtheit, mit der Don Quixote seine Illusion vor Tobys zynischem Realismus verteidigt, zwingt diesen, schließlich mitzuspielen. Er nutzt den Trip aber ebenso als Flucht vor sich selbst – und vor seinem rachsüchtigen Produzenten (Stellan Skarsgård).

 

Was wann und warum passiert, ist irgendwann nicht mehr wichtig. Entweder man entscheidet sich, diese Reise vorbehaltlos mitzumachen und ständig überrascht zu werden. Oder man geht auf Abstand und bringt sich damit um ein im Kino selten gewordenes, im besten Sinne irrsinniges Vergnügen, das mit einem großen Budenzauber im Schloss sein würdiges Finale hat.