Saoirse Ronan

Maria Stuart, Königin von Schottland

Mary Stuart (Saoirse Ronan) zieht an der Spitze ihres Heeres in den Krieg. Foto: Universal Pictures International Germany
(Kinostart: 17.1.) Regelblutung im Historienfilm als Problem: Regisseurin Josie Rourke konzentriert sich beim berühmten Machtkampf von Maria Stuart mit Queen Elizabeth I. auf Frauenpower. Dabei fügt ihre Version den Genre-Konventionen nur wenig Neues hinzu.

Marias Herz ist groß – zu groß. Die schottische Königin verschont ihren Halbbruder im Bürgerkrieg, den er gegen sie anzettelt. Dem flamboyanten Entertainer an ihrem Hof vergibt sie, dass er die Hochzeitsnacht mit ihrem Gatten verbringt. In Fragen der Religion ist sie liberal und will jedes Bekenntnis erlauben. Kurzum: Die Heldin im Film von Josie Rourke verspricht, was man heutzutage von einer Herrscherin erwartet – Frieden, Menschlichkeit, Toleranz.

 

Info

 

Maria Stuart,
Königin von Schottland

 

Regie: Josie Rourke,

124 Min., Großbritannien 2018;

mit: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Jack Lowden

 

Website zum Film

 

Da wir es jedoch mit einem Historiendrama zu tun haben, muss jeder derjenigen, die Maria großmütig verschont, ihr später zum Verhängnis werden. Der Film gibt sich da keinen falschen Illusionen hin. Die Eröffnungsszene zeigt Maria Stuart auf dem Schafott: aufrecht, stolz, in einer blutroten Robe.

 

Rückkehr als 18-jährige Witwe

 

Der Machtkampf zwischen Maria Stuart (1542-1587) und Queen Elizabeth I. (1533-1603) zählt zu den berühmtesten Episoden der frühneuzeitlichen Geschichte. Maria wurde schon als Kleinkind Königin von Schottland, heiratete dann aber nach Frankreich; von dort kehrte sie nach dem frühen Tod ihres Mannes als 18-Jährige zurück.

Offizieller Filmtrailer


 

Vom Schicksal vereint, von Umwelt getrennt

 

Sie will als Katholikin wieder ihren Thron besteigen, obwohl die schottische Bevölkerung sich mehrheitlich zum Protestantismus bekennt. Zudem muss sie sich gegen die Hegemonialmacht England behaupten: Ihre Cousine, die anglikanische Elisabeth I., übt in Schottland großen Einfluss aus. Überdies macht Maria Ansprüche auf die englische Krone geltend, was den Streit mit Elisabeth bedrohlich zuspitzt.

 

Regisseurin Josie Rourke, Intendantin am „Donmar Warehouse Theatre“ in London, zeigt in ihrem Spielfilmdebüt diesen politischen Interessenkonflikt vor allem als die Beziehung von zwei Frauen, die das gleiche Schicksal teilen – und genau deswegen von ihrer Umwelt daran gehindert werden, einander zu nahe zu kommen. Sie könnten sich ja zu gut verstehen, und die Sache mit der Macht unter sich ausmachen.

 

Produzenten lehnten Cunnilingus ab

 

Im Vorfeld des Kinostarts war viel von einer feministischen Neuinterpretation des Stoffs die Rede, der mehr als acht Mal verfilmt worden ist; erstmals bereits 1895. Der zentrale Kampf – Königinnen, die sich im immerwährenden Streit mit männlichen Intriganten und Witzfiguren aufreiben – scheint sich auch in den Produktionsbedingungen des Films gespiegelt zu haben.

 

Rourke erklärte in einem Interview mit dem britischen „The Guardian“, wie schwierig es gewesen sei, Szenen mit einem Cunnilingus und einer Monatsblutung gegen den Widerstand der Produzenten durchzusetzen. Wenn „a period in a period piece“ („eine Regel in einem Historienfilm“), wie Rourke scherzte, von männlichen Entscheidern als No-Go oder Bedrohung verstanden werde, hat die Gleichberechtigung im Filmbusiness auf jeden Fall noch einiges vor sich.

 

Duell mit Signalfarbe Rot

 

Diese Details der Handlung sind bemerkenswerte Akzentverschiebungen; sie brechen aber nicht mit dem gewohnten Rahmen. Formal gehorcht diese „Maria Stuart“ den Konventionen des Kostümschinkens und hat den üblichen Schauwerten wenig hinzuzufügen. Die Landschaft ist Ehrfurcht erregend weit, die Rösser sind edel, die Garderoben opulent, die Frisuren schwanken zwischen Kathedrale und achtem Weltwunder.

 

Rot verbindet als Signalfarbe beide Königinnen von Anfang an, doch seine Nuancen unterscheiden sie auch voneinander. Das erdige Ziegelrot der Haarpracht von Maria (kämpferisch: Saoirse Ronan) scheint immer stärker natürlich zu leuchten. Die Locken von Elisabeth schreien zunehmend lauter und greller nach Künstlichkeit. Elisabeth wird von Margot Robbie gespielt; sie entscheidet das Duell der bebenden Nasenflügel und zuckenden Mundwinkel für sich – mit weniger, aber noch eindringlicherer Leinwandpräsenz als Saoirse Ronans Maria.

 

Herrschaft als Horror

 

Das Drehbuch fokussiert hauptsächlich auf einen Reproduktionswettkampf: Wer findet zuerst einen standesgemäßen – und zeugungsfähigen – Mann? Wer gebiert zuerst einen Thronfolger, der Schottland und England als vereintes Großreich beherrschen wird? Die Regisseurin macht daraus eine Konkurrenz der Äußerlichkeiten und Abbilder.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Mary – Königin von Schottland" – exzellent inszenierter Historienfilm über Maria Stuart von Thomas Imbach

 

und hier einen Bericht über den Film "The Girl King" - Biopic über Schwedens Königin Kristina von Mika Kaurismäki

 

und hier einen Beitrag über den Film “Anonymus” - Historien-Thriller über Shakespeare + das elisabethanische Zeitalter von Roland Emmerich

 

Boten bringen den Herrscherinnen Porträts der jeweiligen Gegenspielerin, aus denen ihre Charaktereigenschaften abgelesen werden. Elisabeths Antlitz unter ihrer feuerroten Perücke wird zusehends in Puder einbetoniert. Sie verwandelt sich in eine Urahnin des Mörderclowns Pennywise aus Stephen Kings „Es“: Herrschaft als Horror.

 

Erstarrung hier – Dynamik da

 

Rourke zeichnet die englische Königin zugleich rational und tragisch; als jemanden, der seine Persönlichkeit zugunsten der Staatsräson aufgibt. Sie sei mehr Mann als Frau, sagt Elisabeth einmal. Maria hingegen wird überhöht als Frau, die sich von Macht und Zwängen nicht verformen lässt – was Rourke vor allem durch die Betonung klischeehaft weiblicher Qualitäten zu fassen versucht. Marias nicht verblühende jugendliche Schönheit ist das, was ihr am Ende bleibt – als Königin ohne Land, vom eigenen Hof vertrieben, im englischen Exil gefangen.

 

Einmal sind die beiden Königinnen in einer Parallelmontage bei Verhandlungen mit ihren Hofräten zu sehen. Elisabeth sitzt mit lauter schwarzen Gestalten am Tisch unter einem düsteren Gewölbe. Maria reitet hoch zu Ross ihren Beratern voraus, während sie ihre Entscheidungen verkündet. Erstarrung hier – Dynamik da.

 

Nur Details in Bewegung

 

Man kann durchaus spüren, dass Josie Rourke der Blaupause des Kostümfilms nicht einfach nur folgen wollte. Letztlich gelingt es ihr aber nur in manchen Details, das Genre in Bewegung und Wallung zu versetzen. Ihr bleibt der Stolz, es versucht zu haben – und die Hoffnung, dass ihre Nachfolgerinnen es schaffen werden.