Mannheim

Die Staufer und Italien

Vergoldeter Barbarossakopf (Detail), Selm-Cappenberg, (Kat.Nr. II.A.16). Foto: Frank Boxler © Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim
Die wichtigste Herrscher-Dynastie des Mittelalters regierte Deutschland von Italien aus. Ohne ihre Weichenstellungen wäre das heutige Europa undenkbar, wie eine opulente Ausstellung in Mannheim deutlich macht.

Friedrich I. Barbarossa biss sich als deutscher Kaiser an Mailand die Zähne aus. Sein Sohn Heinrich VI. erbte Unteritalien durch Heirat. Sein Enkel Friedrich II. sprach am liebsten Arabisch und schrieb ein Lehrbuch der Falknerei – die Familie der Staufer, die neun Könige und Kaiser zwischen 1138 und 1268 hervorbrachte, ist voller schillernder Gestalten.

 

Nur 130 Jahre lang haben die Staufer regiert, aber den Kontinent geprägt wie kaum eine andere Dynastie. Unter ihrer Herrschaft wurden die Weichen gestellt für das Europa der Neuzeit. Sie setzten sich gegen die Päpste durch und nannten ihr Herrschaftsgebiet erstmals «Heiliges Römisches Reich»: Es reichte von der Nordsee bis Sizilien.

 

Info

Die Staufer und Italien - Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa

 

19.09.2010 - 20.02.2011
täglich 11 bis 18 Uhr im
Reiss-Engelhorn-Museum, Zeughaus, C5, Mannheim

 

Zweibändiger Katalog 39,90 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

Indes erlitten sie entscheidende Niederlagen: Barbarossa unterlag dem oberitalienischen Städtebund – das ermöglichte den Aufstieg der Kommunen. Friedrich II. machte den deutschen Fürsten wichtige Zugeständnisse – dadurch verlor der Kaiser die Oberherrschaft im Reich.

 

Glanz des Hochmittelalters

 

Währenddessen gründeten Staufer die ersten Universitäten in Bologna, Neapel und Salerno. Der Glanz des Hochmittelalters ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden: Handwerk und Handel erlebten einen enormen Aufschwung. Doch die Machtzentren ihres riesigen Reiches lagen in Ober- und Unteritalien: Von dort ging aus, was Deutschland bestimmen und formen sollte.

 

Das zeigt die opulente Ausstellung «Die Staufer in Italien» im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Seit der legendären Staufer-Schau 1977 in Stuttgart ist sie der erste Versuch, die gesamte Epoche darzustellen – auf drei Etagen anhand von 530 Objekten. Das ehrgeizige Unternehmen glückt, weil es sich konsequent entlang der italienisch-deutschen Achse ausrichtet.

 

Innovationsregionen

 

Im Vordergrund stehen drei «Innovationsregionen», wie die Kuratoren sie im Manager-Sprech nennen: das Rhein-Main-Neckar-Gebiet, Oberitalien und Sizilien. Entlang der deutschen Flüsse entstanden wichtige mächtige Pfalzburgen und prachtvolle Dome. Davon künden formvollendet ausgearbeitete Bauteile und Grabskulpturen.


Impressionen der Ausstellung


Garten der Wonnen 

 

Oberitalien war dagegen der «Garten der Wonnen», so der Chronist Otto von Freising im 12. Jahrhundert. Dichte Besiedelung der Po-Ebene und intensive Landwirtschaft ermöglichte die Entstehung stolzer Städte: Mit 200.000 Einwohnern war Mailand die größte ihrer Zeit.

 

Den Kaisern widersetzten sie sich erfolgreich – zugleich lieferten sie Luxusgüter zur Verfeinerung des Lebensstils. Sehr anschaulich ist eine Gegenüberstellung von deutschem und italienischem Geschirr: Plumpes braunes Steinzeug hier, fein bemalte Keramik dort.

 

Wiege der Kultur

 

Sizilien, wo Friedrich II. aufwuchs, galt hingegen als «Wiege der Kultur». Hier vermischten sich griechische, lateinische, jüdische, arabische und normannische Einflüsse zu einer Multikulti-Gesellschaft, deren Kenntnisse und Fertigkeiten dem übrigen Reich um Jahrzehnte voraus waren. Man kann es einer Grab-Inschrift aus Palermo von 1159 ablesen: Sie ist auf Latein, Griechisch, Arabisch und Arabisch in hebräischen Buchstaben abgefasst.

 

Nördlicher und südlicher Reichsteil trennte voneinander der Kirchenstaat, der dem Papst unterstand. So bewahrte das Königreich Sizilien, das bis Neapel reichte, stets ein Sonderbewusstsein. Plastisch deutlich wurde das am Brückentor von Capua.

 

Eingangspforte zum Süden

 

Friedrich II. ließ es quasi als Eingangspforte zum Süden errichten: Marmorbüsten mit Vorbildern und Gefolgsleuten des Kaisers schmückten das trutzige Doppelturm-Bollwerk. Im 16. Jahrhundert wurde es abgerissen, doch einige Spolien sind erhalten und in der Schau zu sehen.

 

Wie der Krönungsmantel Friedrichs II., der heute in Metz aufbewahrt wird: Die aufgestickten Reichsadler tragen Heiligenscheine – ein Affront gegen den Stellvertreter Christi in Rom. Religion und weltliche Macht rivalisieren auch im Cappelsberger Bronze-Kopf seines Großvaters Friedrich I.

 

Langlebiger Kult

 

Ursprünglich als Machtdemonstration gedacht – Barbarossa ist wie Konstantin der Große dargestellt – wurde der Kopf im Stift Cappelsberg als Reliquien-Behälter genutzt und somit politisch neutralisiert. Um den rotbärtigen Kaiser entwickelte sich ein langlebiger Kult: Sogar eine Zahnreliquie aus Brienno ist ausgestellt.

 

Am Eingang empfängt eine monumentale Foto-Reproduktion des erwachenden Barbarossa im Kyffhäuser-Denkmal den Besucher. Diese Beschwörung der Reichseinheit war zwar nur ein pompöser wilhelminischer Traum, der im Zweiten Weltkrieg endgültig unterging. Doch für die Ausstellung taugt der Sandstein-Kaiser sehr wohl als Symbol: Sie erweckt eine längst vergangene Epoche überzeugend zum Leben.