Oliver Stone

Wall Street 2 ist eine Sittenkomödie

Regisseur Oliver Stone. Foto: ohe
23 Jahre nach dem Film «Wall Street» seziert Regisseur Oliver Stone noch einmal die Welt der Hochfinanz. Wieder spielt Michael Douglas die Hauptrolle als skrupelloser Spekulant Gordon Gekko. Ansonsten hat sich einiges geändert, stellt Stone fest.

Mister Stone, wie sehen Sie die Lage der Weltwirtschaft nach der Finanzkrise von 2008?

 

Oliver Stone: 2008 hatte die Weltwirtschaft einen schweren Herzinfarkt und bekam einen dreifachen Bypass gelegt; wir sind immer noch in Behandlung. Die Kreditblase ist geplatzt, aber sie kann wieder entstehen; und am Ende des Films deuten wir an, dass eine neue Blase kommt. Die letzte Blase, die Internet-Blase von 2002, war 2008 nur sechs Jahre her.

 

Info

 

Wall Street: Geld schläft nicht

 

Regie: Oliver Stone

110 Min., USA 2010


mit: Shia LaBeouf, Michael Douglas, Carey Mulligan, Josh Brolin, Susan Sarandon, Charlie Sheen

 

Website zum Film

 

 

Gordon Gekko wurde 1987 mit dem Slogan berühmt: «Gier ist gut!» Stimmt das?

 

O.S.: Gier ist heute legal. Was Gekko damals behauptet hat, ist nach 2000 legalisiert worden: Die Institutionen haben sich wie Gekko verhalten. Die Investmentbranche durfte Junk Bonds verkaufen, ihren Kredithebel maßlos erhöhen und wurde trotzdem als «AAA» eingestuft. Die Banken haben die Welt betrogen. Es ist ein Unterschied, ob man mit dem Geld eines privaten Hedge-Fonds zockt, oder dafür öffentliche Gelder verwendet und auf Staatsgarantien zurückgreift.

 

Ist der Kapitalismus gut?

 

O.S.: Ja, wenn er reguliert und kontrolliert wird. Mein Vater, der 50 Jahre lang Börsenmakler war, sagte immer: Auf dem Papier funktioniert Kapitalismus nicht, im Gegensatz zum Kommunismus. Doch in Wirklichkeit reagiert der Kapitalismus flexibel auf Schwankungen von Angebot und Nachfrage und schafft einen Ausgleich. Allerdings sollte der Grundsatz gelten: Kein Profit ohne Produktion. Doch ihr Anteil ist stark gesunken. Der Anteil der US-Banken am volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn ist von 16 Prozent in 1986 auf 40 Prozent in 2007 gestiegen, weil die Devise lautete: Geld mit Geld verdienen. Die Finanzwirtschaft produziert nichts, sie trägt wenig zum Wohlstand bei, sie schöpft nur Gewinne ab.

Interview mit Oliver Stone


 

Michael Douglas wird laut eigener Aussage immer noch auf Gordon Gekko angesprochen. Warum ist der Bösewicht Gekko so populär?

 

O.S.: Er wird bewundert, weil er ein so charmanter wie rücksichtsloser Gewinner ist, der alles bekommt, was er will. Doch in «Wall Street 2» ist sein Charakter facettenreicher und hat mehr emotionale Tiefe: Er startet von ganz unten und sehnt sich nach Familie. Als er aus dem Gefängnis kommt, wartet keiner auf ihn. Das ist sehr deprimierend in seinem Alter. Nach seinen großen Coup in London, bei dem er eine Milliarde verdient, muss er entscheiden, ob er zehn Prozent in seinen Enkel investieren soll. Für ihn ist das eine gute Investition, weil er damit etwas Bleibendes zurücklässt. Viele Börsenleute sind liebevolle Familienväter.

 

Filmemachen ist ebenfalls risikoreich – man weiß nie, ob sich die Investition amortisiert. Wie viel Börsenmakler steckt in Ihnen?

 

O.S.: Natürlich ist Filmemachen selbstmörderisch – jedenfalls mehr als Fernsehen. Aber man macht es einfach, ohne auf die Folgen zu achten. Als ob man im Frühling ein Iglu baut. Jeder Film schmilzt allmählich dahin, und man kann nicht alle Welt dazu bringen, ihn anzusehen. Allerdings werden Filme über immer mehr Kanäle vertrieben. So, wie man Lebensmittel einfrieren, auftauen und ein zweites Mal essen kann.

 

Wie wichtig war der Schauplatz New York für den Film?

 

O.S.: Sehr: Die Stadt ist immer noch das ökonomische Hauptquartier der Welt. Ich bin in New York aufgewachsen, habe eine Wohnung dort und gelernt, die Stadt zu lieben. Sie hat sich verbessert, besonders architektonisch. Wir haben viele Aufnahmen aus der Vogelschau gemacht, um die Macht der Stadt und ihrer olympischen Höhen darzustellen.

 

Warum setzen Sie als Soundtrack erneut Songs von David Byrne ein?

 

O.S.: David Byrne lieferte schon den Soundtrack für den Film von 1987. Seine letzte Platte von 2008 heißt „Everything that happens will happen today“. Ihre Texte fassen zusammen, dass diese Blase noch einmal auftreten wird. Der Film ist viel weniger tragisch, als die Leute glauben, sondern eher eine Sittenkomödie: Das System, das wir aufgebaut haben, führt dazu, dass wir uns immer wieder gleich verhalten. Man könnte auch sagen: Das Hauptthema des Films ist Vertrauen. Auf der Makro-Ebene zwischen Banken und Kunden – die ist nun zerstört. Auf der Mikro-Ebene innerhalb der sechsköpfigen Film-Familie – hier wird das Vertrauen durch Geld auf die Probe gestellt. Der Film stellt Gier und Verrat gegen Liebe und Vertrauen. Wenn nicht ein Mindestmaß an Vertrauen herrscht, wird die Zivilisation in Frage gestellt. Das steckt in den Songs von David Byrne, und deshalb habe ich sie als Soundtrack verwendet.