Karlsruhe

Viaggio in Italia – Künstler auf Reisen 1770 – 1880

Arnold Böcklin: Landschaft aus dem Albaner Gebirge, 1851, Öl auf Leinwand. Foto: SKK, Wolfgang Pankoke
Das Land der Römer mit dem Pinsel suchen: Die Staatliche Kunsthalle zeigt traumhaft schöne Bilder deutscher und französischer Maler von ihren Reisen in Italien. Nur hat sich die Wirklichkeit längst davon entfernt.

«Wenn bei Capri die Abendsonne im Meer versinkt» ist ein Lied, das kaum noch einer singt. Das «Land, in dem die Zitronen blühen» als Reiseziel hat die Generation Easyjet gegen Regionen ausgewechselt, in denen Mangos und Papayas reifen: Die kitzeln ihre Gaumen mehr.

 

Info

Viaggio in Italia - Künstler auf Reisen
1770 – 1880

 

11.09.2010 - 28.11.2010
täglich außer montags 10 - 17 Uhr, am Wochenende bis 18 Uhr in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe

 

Weitere Informationen

 

Die alte Italien-Sehnsucht der Deutschen ist merklich abgekühlt. Das liegt nicht nur an billigen Langstrecken-Flügen, sondern auch am Niedergang von Bella Italia: In Berlusconis Reich werden für verfallende Infrastruktur und miesen Service absurd hohe Preise verlangt.

 

Womöglich wird der Stiefel bald zum Eldorado für strapazierfähige Abenteuer-Touristen. Was sie dort entdecken können, führt die Kunsthalle Karlsruhe in einer malerischen tour d´horizon vor. «Viaggio in Italia» präsentiert rund 150 Werke, die deutsche und französische Künstler zwischen dem späten 18. und frühen 20. Jahrhundert auf Reisen durch Italien anfertigten.


Impressionen der Ausstellung


 

Stein gewordene Italien-Begeisterung

 

Dafür ist die Kunsthalle der richtige Ort. Sie kommt nicht nur ohne Leihgaben aus, da alle Graphiken, Aquarelle und Gemälde aus eigenen Beständen stammen. Das Haus selbst ist Stein gewordene Italien-Begeisterung. Seine Architekten Heinrich Hübsch und Josef Durm gestalteten das 1846 eröffnete Museum als eklektische Mischung italienischer Vorbilder.

 

Decken und Wände wurden mit antikisierenden Fresken geschmückt. Karlsruhe war Badens Hauptstadt aus der Retorte. Die Großherzöge wollten sie mit Kunsthalle und Kunstakademie, die 1854 gegründet wurde, auf einen Schlag in den Rang einer deutschen Kunst-Metropole katapultieren.

 

Optischer Paukenschlag

 

Passenderweise beginnt die Ausstellung mit einem optischen Paukenschlag. Pierre-Jacques Volaires «Ausbruch des Vesuvs» von 1771 will mit kräftigen Farbkontrasten die Ehrfurcht vor dem Erhabenen erregen, die Italien-Reisende beim Anblick antiker Ruinen überfiel.

 

Die nutzten seine französischen Rokoko-Kollegen wie Jean-Honoré Fragonard oder Hubert Robert gern als grandiose Kulissen für pittoreske Szenen. Dagegen bemühten sich deutsche Zeitgenossen wie Jakob Philipp Hackert und Wilhelm Friedrich Gmelin um exakte Wiedergabe von Details: Sie wurden zu Wunsch-Landschaften zusammengesetzt.

 

Mahlerisch radirte Prospecte

 

Wie systematisch man dabei vorging, zeigen die «Mahlerisch radirten Prospecte von Italien»: Von 1792 bis 1798 schufen drei Künstler je 24 Radierungen. Die 72 Blätter, von denen etwa die Hälfte in Karlsruhe zu sehen ist, legten quasi den Kanon klassischer Sehenswürdigkeiten in Mittelitalien fest.

 

Seinem Verkaufsschlager wollte Verleger Frauenholz eine zweite Serie über Süditalien folgen lassen. Das verhinderten jedoch die politischen Verhältnisse. Überhaupt entstanden selten Bilder von Sizilien: Der Weg dorthin war zu weit und beschwerlich.

 

Harmonie-Ideal des Klassizismus

 

Das Harmonie-Ideal des Klassizismus war eine Künstler-Generation später passé. Die frömmelnden Nazarener wurden in Rom sesshaft; sie eiferten der Frührenaissance nach. Ihren penibel abgezirkelten, glaubensinnigen Schwulst führt die Kunsthalle an einigen Riesenformaten vor.

 

Die Romantiker durchstreiften dagegen die Region rund um Rom nach malerischen Natureindrücken. Baudenkmäler rückten aus dem Zentrum an den Rand: Sie interessierten nicht als Zeugnisse einer großen Vergangenheit, sondern als symbolträchtiges Dekor für subjektive Stimmungen.

 

Pleinair-Malerei vorweggenommen

 

Dieser individualistische Ansatz zeitigte die schönsten Ergebnisse, die in der Schau zu sehen sind. Der früh vollendete Ernst Fries, der mit 32 Jahren starb, hielt Felsen, Wasserfälle und die Küste von Capri in leuchtenden Ölskizzen fest. Er war mit Camille Corot befreundet, dessen «Waldtal bei Civita Castellana» von 1826 die Pleinair-Malerei der Schule von Barbizon vorwegnahm.

 

Am konsequentesten setzte Carl Blechen die neuen Prinzipien um: Sein «Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco» von 1832 ist auf eine düster gähnende Schlucht gerichtet, die das Gemäuer fast verschlingt. Und die Basilika des Domitian mit Kolosseum, die Henri-Joseph Harpignies 1865 aquarellierte, löst sich in hellgelbe und –violette Lichtflecken auf: Hier klingt bereits der Impressionismus an.

 

Anmutig Pittoreskes gesucht

 

Allerdings blieben die Romantiker ihren Vorgängern in der Motivwahl treu. Es sind immer die gleichen Orte, Monumente und Perspektiven, die als bildwürdig gelten: Vesta-Tempel und Maecenas-Villa in Tivoli, Villa d´Este, die Dörfer Subiaco und Olevano ua.. Ernst Fries und Johann Wilhelm Schirmer malten sogar im Abstand von 16 Jahren genau dieselbe Treppe im Park der Villa Chigi, an deren Fuß ein knorriger Baum wurzelte: Fries 1824 als Aquarell, Schirmer 1840 als Grisaille.

 

Solche Wiederholungen sind symptomatisch für den Blick der fremden Künstler auf Italien: Sie nahmen ihr Gastland selektiv wahr und suchten anmutig Pittoreskes; den Rest ignorierten sie. Die meisten Landschaften sind menschenleer. Wenn Landvolk auftaucht, dann als Staffage oder heitere Bewohner eines irdischen Paradieses. Ihre Armut bleibt ausgespart.

 

Steinwüste in Neuer Sachlichkeit

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Rom sehen und sterben..." über "Perspektiven auf die Ewige Stadt. Um 1500 – 2011" in der Kunsthalle Erfurt.

Daher wird die Italien-Reise als Pflichtübung für Jung-Künstler Ende des 19. Jahrhunderts zum Auslaufmodell. Moderne Maler fanden andere Themen wichtiger, als das Land der Römer mit Pinsel und Palette zu suchen. Edmund Friedrich Kanoldt und sein Sohn Alexander zählen zu den letzten, die ausgetretene Pfade abschreiten. Der Vater malt das Schlachtfeld von Cannae 1880 als Einöde, über dem sich Stürme zusammenbrauen. Der Sohn zeigt in den 1920er Jahren das Bergdorf Olevano nüchtern als Steinwüste im Stil der Neuen Sachlichkeit.

 

So ähnlich erscheinen Besuchern heute die meisten malerischen Orte von einst. Die Bäche sind kanalisiert, die Wäldchen gerodet, verträumte Vororte von Rom zu zersiedelten Beton-Schluchten geworden. Von ihnen bleiben nur präzise Bleistift-Skizzen, duftige Aquarelle und dramatische Ölgemälde. Nur sind diese Bilder von der Wirklichkeit genauso weit entfernt wie das damalige Italien vom antiken Elysium, das sich die reisenden Maler erträumten.